Er atmete tief ein.
Das Licht blendete ihn.
Ein paar Geräte piepten in einem beruhigend langsamen Rhythmus.
Sebastian Rissner hatte Schmerzen.
Sein Hodensack fühlte sich prall an.
Als wäre er kurz davor zu platzen.
Für einen Moment überlegte Sebastian die Klingel zu drücken.
Nach Schmerzmitteln fragen.
Er ließ es bleiben. Sollte es doch wehtun.
Er griff sich an den Bauch und konnte zum ersten Mal den Beutel fühlen.
Warmes Plastik.
Sebastian traute sich nicht unter die Decke zu schauen, denn er wusste was sie gemacht hatten.
Amputation
Gedanken rasten durch seinen Kopf. Erinnerungen flogen ihnen hinterher.
Der erste Arztbesuch. Was wird jetzt?
Die Hoffnungen und das Warten. Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit?
Sandras besorgte Blicke im Wartezimmer. Geht es dir gut Schatz?
In der Nacht Blut pinkeln und vor Schmerzen brüllen. Es geht mir gut.
Der Penis war so gut wie amputiert worden.
Einen kleinen Rest hatten sie ihm gelassen.
Zumindest hatten die Ärzte es so angekündigt.
Er fragte sich wie spät es wohl sei.
In Sebastians Blickfeld befand sich keine Uhr.
Links und Rechts von seinem Bett waren Trennwände aufgestellt.
Er konnte das Stöhnen und Schnarchen von anderen Menschen hören.
Sebastian lag auf dem Rücken und zog es vor sich nicht zu bewegen.
Als wäre er aus einem Alptraum aufgewacht, ein Alptraum, der so schlimm ist, dass man sich noch nicht einmal nach dem Aufwachen zu atmen traut.
Doch Sebastian musste atmen, er hatte Angst zu sterben, nicht zu atmen wäre keine gute Idee.
Wieso hatte er dem Eingriff zugestimmt? Warum hatte er es nicht einfach vorher beendet?
Vielleicht hatte er gedacht, dass es gar nicht so schlimm werden könnte?
Oder lag es an seiner Angst. Die Verbindung zum Neandertaler, die dumpfe Angst vor dem großen Nichts. Was kommt danach? Kommt da etwas? Und wenn ja, was denn? Und vor allem, kommt da nichts mehr? Und wenn ja, wie schrecklich wäre das denn?
Ihm war Sandras Gesichtsausdruck nicht verborgen geblieben.
Sie würde ihn verlassen, das stand vollkommen außerhalb jeglicher Diskussion.
Der Elefant stand auf dem Mittagstisch und keiner von ihnen wollten es ansprechen.
Sandra war eine tolle Frau, kein Engel, kein Model, aber eine schöne und liebe Frau.
Der erste Arztbesuch. Was wird jetzt?
Die Hoffnungen und das Warten. Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit?
Sandras besorgte Blicke im Wartezimmer. Geht es dir gut Schatz?
In der Nacht Blut pinkeln und vor Schmerzen brüllen. Es geht mir gut.
Der Penis war so gut wie amputiert worden.
Einen kleinen Rest hatten sie ihm gelassen.
Zumindest hatten die Ärzte es so angekündigt.
Er fragte sich wie spät es wohl sei.
In Sebastians Blickfeld befand sich keine Uhr.
Links und Rechts von seinem Bett waren Trennwände aufgestellt.
Er konnte das Stöhnen und Schnarchen von anderen Menschen hören.
Sebastian lag auf dem Rücken und zog es vor sich nicht zu bewegen.
Als wäre er aus einem Alptraum aufgewacht, ein Alptraum, der so schlimm ist, dass man sich noch nicht einmal nach dem Aufwachen zu atmen traut.
Doch Sebastian musste atmen, er hatte Angst zu sterben, nicht zu atmen wäre keine gute Idee.
Wieso hatte er dem Eingriff zugestimmt? Warum hatte er es nicht einfach vorher beendet?
Vielleicht hatte er gedacht, dass es gar nicht so schlimm werden könnte?
Oder lag es an seiner Angst. Die Verbindung zum Neandertaler, die dumpfe Angst vor dem großen Nichts. Was kommt danach? Kommt da etwas? Und wenn ja, was denn? Und vor allem, kommt da nichts mehr? Und wenn ja, wie schrecklich wäre das denn?
Ihm war Sandras Gesichtsausdruck nicht verborgen geblieben.
Sie würde ihn verlassen, das stand vollkommen außerhalb jeglicher Diskussion.
Der Elefant stand auf dem Mittagstisch und keiner von ihnen wollten es ansprechen.
Sandra war eine tolle Frau, kein Engel, kein Model, aber eine schöne und liebe Frau.
Schwarze Haare, blaue Augen, eine Haut, zart wie Seide und ihre Art ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen war unvergleichlich.
Er würde sie verlieren, schon vor der Operation hatte er versucht damit abzuschließen.
Ihm war es nicht gelungen, denn die Blicke seiner Frau waren eindeutig.
Er würde sie verlieren, schon vor der Operation hatte er versucht damit abzuschließen.
Ihm war es nicht gelungen, denn die Blicke seiner Frau waren eindeutig.
Er konnte sich damit nicht abfinden.
In ihren Augen war stumpfe Verzweiflung zu sehen, natürlich könnte man sich arrangieren.
Sandra könnte sich einen Liebhaber zulegen. Könnte sich ihre Befriedigung woanders holen.
Er könnte sie auch ohne Penis zum Orgasmus bringen, aber auf Dauer würde das nicht reichen. Die Paartherapeutin unterstrich immer wieder, dass Sebastian mehr wert ist als ein Penis. Für einen guten Menschen braucht es mehr als einen funktionierenden Penis. Das mochte ja sein. Aber für eine gute Beziehung? Er glaubte nicht daran.
Die Ärzte hatten ihm erklärt, dass sein Urin ab jetzt aus einem Loch am Bauch fließen würde.
Urostoma.
Er müsste nur immer einen Beutel draufkleben.
Urostoma
Aus dem Rest Scheißdreck und Gewebsmatsche zwischen seinen Beinen würden sie schon etwas einigermaßen ansehnliches formen können.
Urostoma.
Eine zumindest teilweise Amputation war unausweichlich, auch die Blase war nicht mehr zu retten.
Der Hodensack war vor der Operation fast so groß wie ein Fußball und musste komplett abgetragen werden.
Fassungslos hatte er jeden Morgen seine Eier angestarrt, die Haut war zum Zerreißen gespannt und brannte wie Feuer. Zum Schluss, kurz vor der Einweisung ins Krankenhaus, hatte er schwarze Flecken entdeckt. Nun war es vorbei, er würde immer noch fassungslos zwischen seine Beine starren, aber das Sichtfeld würde ihm versperrt bleiben.
Versperrt vom Plastikbeutel auf seinem Urostoma.
Er liebte Sandra so sehr.
Sebastian wollte weinen, tat es nicht, konnte nicht
Ihre Augen waren ein Spiegel für ihn. Sie war sein Leben.
Sebastian hatte sich noch immer nicht bewegt.
Nun, es war so weit.
Er drückte die Klingel.
Es war der Neuanfang.
Der Neustart. Startschuss für ein neues Leben.
Er seufzte und wartete auf die Schwester.
Willkommen in der Scheiße.
-Zwei Jahre, fünf Tage, sieben Stunden, 38 Minuten und 42 Sekunden später-
Sebastian saß im Wagen und wartete.
Mittlerweile war es Nacht geworden. Die Sonne war vor Stunden hinter den Reihenhäusern und Doppelhaushälften verschwunden.
Die spielenden Kinder waren verschwunden und lagen im Bett.
Er rauchte eine Zigarette.
Auf dem Beifahrersitz lag ein Fernglas und eine Kamera.
Er wartete seit sieben Stunden, dass die Frau wieder aus der Wohnung kam.
Am Anfang war er immer persönlich betroffen gewesen. Aber mittlerweile hatte sich eine bleierne Decke aus Zynismus und damit verbundener Verachtung über seine Gefühle gelegt.
Es geht immer nur um Sex. Es geht immer nur ums Ficken, und wenn es nicht darum geht, dann geht es um Geld, und dann ist der Weg zum Sex auch nicht mehr sehr weit. Der Kreislauf des Lebens. Vielleicht sogar auch der Sinn.
Er nahm einen Schluck aus seiner Thermoskanne.
Sebastian verzog das Gesicht. Selbst nach zwei Jahren hatte er sich nicht an den Geschmack von Wodka gewöhnt. Er war Alkoholiker. Aber ein Unzufriedener, denn er hatte geglaubt irgendwann würde ihm das Zeug schmecken.
Aber das tat es nicht. Es war bitter, eklig und brachte ihn regelmäßig zum Kotzen. Vor jedem Schluck musste er tief Luft holen und sich konzentrieren, damit er den Alkohol nicht sofort wieder ausspuckte oder hochwürgte. Er hatte sich auf Wodka spezialisiert, davon bekam er keinen Mundgeruch.
Der kam meist erst am nächsten Morgen, aber das war mit einer scharfen Zahnpasta zu vertreiben.
Nun, es ging um die Wirkung. Darauf kam es an.
Auf nichts anderes.
Naja vielleicht doch noch etwas. Hydromorphin, Tramadol und Tilidin waren wichtig geworden. Zusammen mit Wodka konnte er seine Unzufriedenheit fast nicht mehr spüren. Die Wut auf seinen Verlust wurde leise und alles wurde warm. So schön warm. Jede Zelle in seinem Körper fingt nach den bitteren Tropfen an zu singen. Jede Kapsel geöffnet und den Inhalt durch die Nase, war sein Gebet am Morgen und am Abend. Keine Wahl, nach vier Stunden fing das Zittern und Frieren an. Gefangen im Paradies. Für immer dicht.
Ihm war kalt, das einzig wärmende im Auto war die "Weakerthans"-CD die gerade lief. Er nickte ein wenig im Rhythmus von "Left and Leaving" mit.
Sebastian stand mit seinem Auto in einem Bremer Vorort.
Um ihn herum befanden sich putzige kleine Reihenhäuser und Doppelhaushälften.
Es war jetzt 22:45 und fast nirgends brannte mehr Licht.
"Was ist eigentlich euer scheiß Problem?", fragte er.
"Samstag Abend und ihr schlaft alle schon...wo ist euer scheiß Problem?", dann nahm er noch einen Schluck Wodka.
Das Licht in der Wohnung von Herrn Reise brannte noch.
Links oben, neben dem Balkon. Seine Frau war in der Kur und die Kinder für eine Woche bei ihren Großeltern.
Leider war das Rollo heruntergezogen. Sein Auftragsgeber hätte sich sicherlich über ein paar Beweisfotos gefreut.
Obwohl, der Begrüßungskuss schon Beweis genug war. Eigentlich hätte er schon wieder fahren können.
Aber da war was. Irgendwas liess ihn hier stehenbleiben.
Er hatte in den letzten zwei Jahren einen gewissen Instinkt entwickelt.
Sebastian konnte es selber nicht klar definieren. Da war halt irgendwas in seinem Kopf. Eine art Gefühl, ein Summen.
Vielleicht lag es auch einfach an den Erfahrungen die er in seinem Leben machen musste.
Die Lügen von Sandra, nicht dass sie ihn überrascht hätten, aber er hatte versucht sie zu übersehen. Sebastian hatte weggeschaut.
Bis es irgendwann so offensichtlich war, dass er sie verlassen musste.
Aber es war ein abgezähltes Spiel gewesen, sie wollte ihn dazu bringen, damit sie sich selber noch im Spiegel anschauen konnte.
Damit sie sich nicht eingestehen musste ihren Mann verlassen zu haben, weil ihr ein vernünftiger Schwanz fehlte. Er selbst fühlte sich schuldig.
Er wusste dass er nichts dafür konnte, aber auf eine perverse Art und Weise hatte er Sandra doch selber dazu getrieben ihm fremd zu gehen.
Hätte er noch einen Schwanz gehabt, wäre er früher zum Arzt gegangen, sie hätte ihn niemals verlassen. Doch an einem Sonntagmorgen packte sie ihre Koffer.
Als sie die Tür hinter sich schloss, betastete Sebastian sein Gesicht, bei ihrem Abschiedskuss hatte Sandra eine Träne auf seinem Gesicht hinterlassen.
Er stürzte sich nach der Trennung in Gelegenheitsjobs, vom Kiosk, zu Zeitungen verkaufen bis zum Toilettenmann.
Irgendwann meldete er sich auf ein Jobangebot in der Zeitung, die Privatdetektei "Prinz" suchte nach "Aushilfen". Er hatte keine Ahnung was sie damit meinten, aber er meldete sich trotzdem.
Er hatte viel Zeit und das passte gut, denn die Detektei suchte nach Leuten die Beschattungen durchführen sollten.
Sein Chef Herr Prinz, war ein netter Mensch. Sein Chef hatte kein Problem damit, wenn sich Sebastian krankschreiben lassen musste. Er lag manchmal tagelang im Bett, niedergeschlagen von
Schmerzzuständen und Depressionen. Er besuchte ab und zu die Hölle und kam gereinigt wieder. Katharsis ohne Ergebnis.
Sebastian kratzte sich an seinem Kinn. Strich sich durch den vollen Bart.
Das war auch sein psychologisches Ding, die Welt hatte ihn verstossen und um zu zeigen, dass er auch gar nicht zurückwollte,
hatte er sich einen Vollbart stehen lassen und die Haare lang wachsen lassen.
Sein "Leckt mich alle am Arsch" bestand aus Haaren im Gesicht und auf dem Kopf.
Eine Bewegung.
Am Fenster.
Er griff zum Fernglas.
Das Licht ging aus.
Nun, die Dame hatte vor bei ihrem "Freund" zu nächtigen.
Er grinste. Das war ein Symptom.
Der Seitensprung schien verbunden mit emotionaler Nähe, würde es nur ums Vögeln gehen, dann wäre sie weggefahren oder die Beiden hatten tierisch was vor.
Rollenspiele? Ausufernde Fetische?
Er nahm einen Schluck Wodka, diese Scheiße machte ihn fertig.
Also rauchte er noch eine Zigarette.
"Leckt mich", flüsterte er und öffnete sein Handschuhfach. Zwischen seinen gelb verfärbten Zulassungspapieren und leeren Zigarettenschachteln
lag eine kleine Flasche voller Tramaltropfen. Er tropfte sich zwanzig Tropfen in den Mund, das ergab 200 Milligramm pure Motivation und Ausgeglichenheit.
Komischerweise hatte er sich an den bitteren Geschmack des Schmerzmittels gewöhnen können, im Gegensatz zum Alkohol.
In ungefähr einer halben Stunde würde sein Körper mit Endorphinen überflutet werden, gute Sache, denn Sebastian Rissner würde die Nacht im Auto verbringen.
Er biss sich fest.
Und im Nachhinein betrachtet war das ein sehr großer Fehler.
-Neun Stunden, Sechs Minuten und 42 Sekunden später-
"Scheiße.", Sebastian fluchte sofort, als er aufgewacht war.
Ein wenig wunderte er sich und zuckte dann mit den Achseln.
Nahm einen Schluck Wodka, spülte sich damit den Mund aus, öffnete kurz die Autotür und spuckte
den Alkohol auf die Straße.
Er müsste weiter ausharren.
Spätestens gegen Mittag musste sie wieder nach Hause.
Ihr Ehemann, Sebastians Auftraggeber, hatte Verdacht geschöpft, weil sie sich an den Wochenenden an denen er häufig noch im Büro arbeiten musste, immer öfter
mit Freundinnen in Discotheken rumtrieb. Typisch. Das hätte sie vorher noch nie gemacht, dazu noch Textnachrichten zu später Stunde,
fremde Haare und Geruch auf und in der Kleidung. Zeit für eine ordentliche Observierung von Frau Grieber. Nach einigen Wochen Beschattung und Recherche hatte er ein relativ klares Bild
von der Ehefrau seines Auftraggebers. Frau Grieber war keine typische Betrügerin. Sie hatte Klasse, war zwar in der Mittelschicht geboren, hatte aber durch ihren Mann in die oberen Zehntausend
eingeheiratet. Herr Grieber war im Vorstand eines Familienbetriebes. Er war der Cousin des Geschäftsführers, die Firma produzierte hauptsächlich Fischdosen und dazugehörige Gewürze. Sebastian hatte bei seinen Recherchen festgestellt dass die Firma großen Gewinn einbrachte.
Trotz des Reichtums war die Frau Grieber nicht abgehoben, kaufte noch beim Edeka ein und trug keine überteuerte Designerkleidung. Sie ging häufig in die Bücherei oder mit Freundinnen in Restaurants.
Die Discotheken in denen sie zu finden war, hatten eine gewisse Klatschblattatmosphäre. Häufig stand Sebastian während seiner Beschattung vor der Discothek in einer Reihe mit Promiphotographen, die in ihren Autos stundenlang auf ein gutes Motiv warteten. Vor zwei Wochen hatte Frau Grieber dann angefangen, sich mit einen Mann zu treffen. Zuerst in Cafes, dann in Restaurants und mittlerweile in Hotels.
Heute waren sie aber, augenscheinlich, bei ihm in der Wohnung. Sebastian wunderte sich, ein Mann der in einer Doppelhaushälfte lebte, musste eine Familie haben, und da er Frau Grieber für eine stilvolle Frau hielt, wunderte er sich dass sie es übers Herz brachte mit ihrem Liebhaber in solch einer Umgebung zu schlafen. Aber wie sehr man es auch versuchte, man kann sich niemals ganz in eine Person reindenken, es war auch gut möglich, dass dieser allerletzte Tabubruch ihr erst Recht den letzten Kick gab.
Drei Stunden später war sie immer noch nicht aus dem Haus gekommen.
Hatte Sebastian sie verpasst?
Könnte sein. Er seufzte und konzentrierte sich für einen Moment auf das wohlige Kribbeln in seinen Beinen. Er hatte das Tramal perfekt dosiert.
Dann betastete er sein Stoma.
Es war Zeit für einen Beutelwechsel. Der Kleber würde sich bald lösen.
Sebastian entschied sich nach Hause zu fahren. Gegen Abend würde er Herrn Grieber anrufen und mal wieder Befürchtungen bestätigen.
Als er den Wagen startete schlug das Tramal voll ein und er stellte sein Autoradio an.
Die Weakerthans fingen an zu spielen.
-Sechs Stunden, 52 Minuten und 44 Sekunden später-
"Sie ist noch nicht da."
"Sie ist noch nicht da?", Sebastian wiederholte seine Frage.
"Nein. Steffi ist noch nicht nach Hause gekommen.", Herr Griebers Stimme überschlug sich wie im Stimmbruch.
Sebastian überlegte, er war sich sicher gewesen, dass die Ehefrau seines Auftraggebers nach Hause gefahren war. Wollte sie durchbrennen?
Es sah ihr nicht ähnlich so verdächtig lange wegzubleiben.
"Haben sie ihre Frau schon angerufen?", fragte er, überflüssig die Antwort, natürlich hatte Herr Grieber sie angerufen, wahrscheinlich hatte er seit gestern Abend
alle zwei Minuten ihre Nummer gewählt.
Sebastian kannte das.
Er hatte an dem Ufer der Weser geparkt und seine Tür geöffnet, es war ein heißer Tag und sein Wagen hatte keine Klimaanlage.
Im Rückspiegel sah er zwei hübsche, junge Mädchen vorbeigehen, sie trugen Bikinis und ihre Tragetaschen zeigten ihm, dass sie gleich schwimmen gehen wollten.
Eines der Mädchen hatte ein Handtuch über die Schulter gelegt.
Sebastian durchzuckte ein brennender Schmerz.
"Ich komme zu ihnen, Herr Grieber, wir müssen reden. In zwanzig Minuten bin ich da.", sein Auftraggeber wollte antworten bekam aber nur ein Schluchzen zustande.
Sebastian legte auf und schloss die Wagentür.
-18 Minuten und Sieben Sekunden später-
Das Ehepaar Grieber wohnte in einem großen und beeindruckendem Haus. Man hätte es auch als Villa bezeichnen können, aber dafür wäre sich die wohlhabende Nachbarschaft zu schade.
Wenn schon, dann besaß man ein Anwesen. Die anstehenden Häuser standen dem von Herrn Grieber in Nichts nach. Die Grundstücke waren mit Mauern begrenzt,
einige Nachbarn hatten sogar Stacheldraht aufgezogen. Um zu Herrn Griebers Haus zu gelangen, musste Sebastian erst durch ein oppulentes Tor fahren.
Es stand tagsüber offen und wurde Abends von der Haushälterin, Kathrina, auf dem Nachhauseweg geschlossen.
Genau diese Haushälterin machte ihm die Tür auf, sie war jung, etwas dick und ihre bleiche Haut war von einem schweißigen Film überzogen. Sie trug eine fleckige Schürze und hatte die Haare
zu einem schlampigen Zopf zusammengebunden.
Sie lächelte und führte Sebastian wortlos durch die Eingangshalle in das Büro des Hausherrn.
Herr Grieber saß im Morgenmantel an seinem Schreibtisch. Er hatte zwar kaum noch Haare, aber die die sich noch auf seinem Kopf befanden standen wirr durcheinander.
Sein grauer Schnurrbart war ungestutzt und wuchs leicht über die Lippen, er rauchte eine Zigarette und hatte ein Glas mit Whiskey auf dem Tisch zu stehen.
Den Kopf hatte er auf seiner Hand gestützt, Sebastian betrat den Raum, doch er schaute nicht auf.
"Guten Morgen Herr Grieber.", er reagierte nicht.
"Herr Grieber?", endlich schaute sein Auftraggeber auf, er wirkte durcheinander, fasste sich aber schnell und lächelte ihm zu.
"Guten Morgen Herr Rissner, bitte setzen sich doch.", er zeigte auf den Sessel vor seinem Schreibtisch.
Sein Büro war groß. Hinter Herrn Grieber befand sich ein ausladendes Fenster mit dem man den ganzen Garten überblicken konnte.
An den Wänden standen hohe Bücherregale aus dunklem Holz. Sebastian hatte die Bücher bei seinem letzten Besuch ausführlich betrachtet.
Die meisten handelten von Finanzmärkten, Abhandlungen über die Wirtschaft und Autobiographien von Professoren die ihm nicht geläufig waren.
"Sie betrügt mich, oder?", fragte Herr Grieber.
"Ja, ich hab die Begrüßung auf der Kamera, nicht wirklich hundertprozentige Bestätigung, aber nach meiner Erfahrung und der Zeit
die sie miteinander vebracht haben, doch ja, ich gehe stark davon aus."
Sein Auftraggeber
"Wo ist meine Frau.", fragte Herr Grieber.
"Ich weiß es nicht.", Sebastian setzte sich und überschlug langsam die Beine.
"Finden sie es heraus, bitte.", die Augen von Herrn Grieber wurden feucht.
"Es tut mir leid wenn ich bei so einer persönlichen Geschichte aufs Geschäft zurückkommen muss, aber Herr Grieber das kostet alles Geld."
"MIR EGAL!", sein Gegenüber schlug mit geballter Faust auf den Schreibtisch.
"Entschuldigen sie Herr Rissner, aber es ist mir scheißegal wieviel das kostet, sie finden raus wo meine Frau ist und sie finden raus wer der Kerl ist. Okay?", er zeigte mit dem Finger auf ihn.
"Klar, alles was sie sagen, mein Chef ruft sie heute an und klärt die Details, Spesen und Abrechnungen im Allgemeinen."
"Gut, Gut."
Wirklich?
-Zwei Stunden, 37 Minuten und 48 Sekunden später-
Sebastian nahm noch einmal zwanzig Tropfen Tramal zu sich.
Er hatte den Wagen wieder vor dem Haus, in dem er Frau Grieber zuletzt gesehen hatte, geparkt. Über das Büro hatte er den Namen von ihrem Liebhaber herausgefunden.
Manuel Reise. 29 Jahre alt, Versicherungskaufmann (Vertreter), und unverheiratet. Sebastian überlegte was die Beiden in der Doppelhaushälfte zu suchen hatten.
Herr Reise wohnte in einem ganz anderen Stadtteil, wem gehörte dann das Haus vor dem er parkte? Auf der Klingel stand kein Name. Die Prinz Agentur hatte nicht herausfinden können wer in diesem Haus lebte.
Sonderbar.
Er zündete sich eine Zigarette an und beobachte die Kinder die am der Straße spielten. Sie kickten sich im Kreis einen Ball zu, einige versuchten ihn in der Luft zu halten,
was ihnen aber höchstens zweimal hintereinander gelang. Er lächelte.
Vielleicht hatte Sandra ihn ja gar nicht wegen dem Sex verlassen? Vielleicht war es die Aussicht niemals Kinder zu haben? Er seufzte.
Sebastian machte sich nach, all der Zeit die vergangen war, immer noch Gedanken, er ging sich selber auf die Nerven. Dennoch musste er daran denken wie er das letzte Mal mit seiner Frau geschlafen hatte.
Sie waren nach einem romantischem Abendessen im Wohnzimmer übereinander hergefallen, angetrunken vom Wein hatte Sandra ihm das Hemd aufgerissen und zu Boden gezogen.
Es war intensiv und hart, danach waren sie auf dem Boden nebeneinander eingeschlafen.
Am nächsten Morgen pisste Sebastian zum ersten Mal Blut.
Er hatte es niemals geschafft sich von ihr zu lösen. Wenn es ihm schlecht ging, und es ging ihm fast immer schlecht, dann fuhr er zu ihrer neuen Wohnung und parkte seinen Wagen gegenüber.
Sie wohnte im zweiten Stock, meistens waren ihre Vorhänge zugezogen, aber darum ging es ihm gar nicht. Sebastian wollte Sandra nur in seiner Nähe wissen.
Bei jedem jungen Mann der das Haus betrat oder verließ fuhr ihm ein Stich ins Herz, jeder war ein potentieller neuer Freund von seiner Frau.
Ab und zu sah er auch sie, mit Einkaufstaschen bepackt, manchmal hetzte sie eilig zur Arbeit und manchmal spazierte sie gedankenverloren aus dem Haus.
Sebastian war sich im Klaren darüber wie krank das alles war, er war ein Stalker. Er war vielleicht passiv, aber wer würde behaupten dass sich das nicht ändern könnte?
Das Tramal schlug wieder ein und ihm wurde angenehm warm. Es war keine schweißtreibende Hitze, es war eine friedliche und beruhigende Wärme die seinen Körper von ihnen durchzog.
Die Sonne ging unter, es würde schnell kalt werden, umso mehr genoß er die Empfindungen die das Tramal auslöste. Er trank einen Schluck Wodka.
Im Haus hatte sich nichts getan, das Licht war aus und die Balkontüren geschlossen. Selbst die Nachbarn waren nicht zu Hause.
Sebastian wurde langsam unruhig.
Zuerst spazierte er nur am Haus vorbei und versuchte unauffällig in die Erdgeschoßfenster zu spähen, aber die Lichter waren aus und er konnte nichts erkennen.
Sebastian bliebt direkt vor der Doppelhaushälfte stehen und überlegte.
Dann hörte er jemanden schreien.
-Zehn Minuten und 59 Sekunden später-
Er stand im Wohnzimmer.
Das Zerbrechen der Glastür war nicht so laut gewesen, wie er gedacht hatte.
"Scheiß drauf.", das Tramal befand sich jetzt ganz tief in seinem Hirn. Ihm wurde schwindelig, aber gleichzeitig war er von einem inneren Drang zur Aktion erfüllt.
Seine Augen tasteten die Wohnung ab. Wohnzimmer mit Essnische, Laminat ausgelegt, nichtssagende Landschaftsmotive an der Wand. 16:9 Flatscreen an der Wand.
Schwarzes Ledersofa farblich abgepasst auf die Holzfarbe der Schränke und des Esstischs.
Das letzte Mal hatte er Licht im oberen Stockwerg gesehen, Sebastian ging in den Flur und die Treppe hoch.
Im zweiten Stockwerk waren drei Türen. Die eine führte ins Badezimmer. Es war fast klinisch rein, der Spiegel fleckenfrei, die Kacheln auf dem Boden strahlten in sauberstem Weiß.
Er machte die Tür zu und öffnete die Nächste.
Frau Grieber lag ausgweidet auf dem Bett.
Sebastians Lunge machte zu und er ging in die Knie. Er versuchte panisch Luft zu bekommen. Einen Atemzug tätigen.
Wieder Sauerstoff in den Körper zu bringen. Nach einem Moment, der ihm wie fünf Minuten vorkam, schafft er es einzuatmen
und erbrach sich danach sofort.
"Verfi..", er erbrach sich wieder. Die Kotze schoß ihm mit gnadenlosem Druck aus dem Mund und der Nase.
"Scheiße."
Er stand zitternd auf und ging einen Schritt zurück.
Frau Grieber war an Armen und Beinen gefesselt, sie waren am Kopf und Ende des Bettes befestigt.
Der Bauch von Frau Griefer war komplett eröffnet, die Darmschlingen hingen heraus, flüssiger Stuhlgang war auf das Bett gelaufen.
Es stank unglaublich. Es nahm Sebastian den Atem.
Das Gesicht von Frau Griefer war entspannt. Der Geruch von Scheiße und Blut liess ihn würgen, dennoch ging er einen Schritt auf die Leiche zu.
Seine Augen tränten, seine Sicht war verschwommen, er rieb sich durch das Gesicht und konnte danach etwas besser sehen.
Frau Griebers Gesicht war voller Sperma. "Super.". Sebastian betrachtete ihren Körper und bemerkte, dass ihr Genital komplett zerschnitten war.
Damit konnte er sich identifizieren.
Er verfluchte sich selber, der Wodka lag noch im Auto.
Er überlegte, was sollte er tun, die Polizei rufen oder vielleicht Herrn Grieber? Er griff ins eine Hosentasche um 110 zu wählen.
Doch er blieb in der Bewegung stecken, nein, er würde niemanden anrufen. Er würde die Sache selber in die Hand nehmen.
Sebastian würde einmal in seinem Leben etwas bedeuteten, einmal in seinem Leben würde er wieder etwas gutes tun.
Er würde diesen Kerl finden, er würde ihn aufspüren und zur Strecke bringen.
"Und dann?", fragte er sich.
Darauf hatte Sebastian noch keine Antwort.
Wo könnte er sein?
Wo könnte er hingefahren sein?
Er setzt sich in sein Auto und überlegte.
Wie spät war es? Er schaute auf sein Handy.
Kurz vor Mitternacht, wie lange war er in der Wohnung geblieben und hatte auf die Leiche gestarrt?
Egal, er bekam einen leichten Schreck, denn auf seinem Handy befanden sich sechs unbeantwortete Anrufe.
Sebastian schaute auf die Nummer des Anrufers und hielt die Luft an. Die Nummer war ihm wohlbekannt, er hatte zwei Jahre gegen ankämpft sie zu wählen.
Es war die Nummer von Sandra.
Sie hatte nichts auf der Mailbox hinterlassen.
-22 Minuten und 34 Sekunden später-
Er trat das Gaspedal durch, während er sich ohne zu zählen Tramal in den Hals schüttete.
An der ersten roten Ampel nahm er einen großen Schluck Wodka. Sebastian hatte ein schlechtes Gefühl in der Magengegend, was nicht nur am Alkohol lag.
Er hatte Herrn Reise und Frau Grieber lange beschattet. Er war vorsichtig gewesen, Sebastian hatte alle Regeln eingehalten.
Aber irgendwie wurde er den Gedanken nicht los, dass er selber von Herrn Reise beschattet wurde. Hatte er ihn bemerkt?
War er Sebastian vielleicht sogar zu Sandras Wohnung gefolgt? Hatte er sie gesehen? Hatte er sie als interessant befunden?
Wollte er sich an Sebastian rächen, ein Ausgleich für den Stress den er ihm verursacht hatte? War es die Absicht von Reise, dass Sebastian die Leiche gefunden hatte?
Er öffnete sein Handschuhfach und griff sich das halbvolle Tillidinfläschchen. Vierzig bittere Tropfen und noch ein Schluck Wodka.
Es brannte Licht in Sandras Wohnung.
Er wusste nicht ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
Sebastian trank die komplette Thermoskanne Wodka aus.
"Motherfucker.", er lächelte. Sandra hatte ihm immer verboten zu fluchen. Sie konnte es nicht hören.
"Stricher, Hurensohn, Schwuchtel, Kopffotze, dreckiger Bastard.", die Wörter flogen nur so aus ihm raus, ein Massenausbruch von eingesperrten Schimpfwörtern.
Das Tramal schlug hart ein. Sein Beine zitterten vor Freude, seine Arme wurden angenehm warm, sein Kopf vibrierte vor Tatendrang.
Er hatte keine Waffe, keine Pistole, ja noch nicht mal ein Messer. Sebastian schaute in den Rückspiegel, betrachtete seine Pupillen, sie waren stecknadelkopfgroß
Beste Vorraussetzungen um richtig Ärger zu machen.
Sebastian stieg aus dem Wagen.
Er stellte sich vor die Eingangstür und suchte nach dem Namen von Sandra.
Er drückte auf ihre Klingel. Ihm war einfach nichts besseres eingefallen. Was war er bloss für ein "Ermittler"? Ohne Plan und Idee.
Die Gegensprechanlage blieb stumm.
Er klingelte noch einmal, wieder keine Antwort, dann drückte er sechsmal hintereinander die Klingel.
Das Rauschen der Anlage übertönte fast die Stimme des Mannes der antwortete:
"Ja?".
"Guten Abend, ich wollte gerne zu Sandra."
Sebastian stellte sich auf ein kompliziertes, fintenreiches Gespräch ein, er war bereit alle seine rethorischen Fähigkeiten zu nutzen die er im
Laufe seines Lebens erlernt hatte.
Aber
"Ja, kein Problem. Ich mache auf.", sagte die Stimme.
Sebastian wunderte sich.
Eine Falle? Ein Plan?
Es war ihm egal, das Tillidin machte ihn agressiv, es war eine paradoxe Sache. Er fühlte sich scharf wie eine Klinge und gleichzeitig in Watte gepackt.
Sebastian ging langsam die Treppen hoch, er wollte nicht atemlos oben angekommen.
Ihm kam der Gedanke, dass er sich vielleicht gleich tierisch blamieren könnte. Serienmörder? Sandra würde ihn auslachen. Nein.
Sie würde ihn mitleidig anschauen und einen Arzt rufen.
Sebastians Herz fing an zu klopfen.
Herr Reise stand vor ihm in der Tür und lächelte freundlich.
Er hatte ein klares glattes Gesicht. Sein Kinn war eckig ausgeprägt, die Wangen schmal und sein ausgeprägter Kehlkopf unterstützte den allgemeinen maskulinen Eindruck.
Sebastian musste sich eingestehen, dass er den Mann vor ihm als attraktiv einschätzte.
Ach was mache er sich vor, Reise sah umwerfend aus. Seine Haare waren kräftig, dick und lockig, die blonde Farbe liess ihn wie eine altertümlicher Sagengestalt aussehen.
"Was... machen sie....... hier?", fragte Sebastian, der Alkohol und das Tramal trafen sich gerade in der Blutbahn.
"Ich bin bei meiner Freundin zu Besuch?", Herr Reise lächelte weiter und Sebastian fielen die strahlend weissen Zähne auf.
Sebastian sah Sterne vor den Augen. In seinen Muskeln sammelten sich Erinnerungen. Die Erinnerungen an die hübschen Menschen.
An schöne junge Frauen, maskuline Männer, Kinobesuche, Grillabende, Discotheken, lächelender Flirt Small Talk, Händchen halten,
küssen, Petting, Ficken, all das was er nicht mehr machen konnte, alles woran er nicht mehr teilhaben "durfte". All die verlorenen Zeiten und Möglichkeiten.
Mit der Wucht dieser Erinnerungen
landete Sebastians Faust auf der Nasenspitze von Herrn Reise.
Herr Reise sank zu Boden, Blut spritzt aus beiden Nasenlöchern.
In Filmen hört man bei Schlägen immer ein klatschendes Geräusch, die Wirklichkeit ist anders, meist hört man gar nichts.
Und wenn, dann ist es ein klatschendes, trockenes Geräusch.
Sebastianstieg über den halb-bewusstlosen Körper von Reise hinweg.
Er suchte die Wohnung ab. Er achtete nicht auf die Stiche in seinem Herzen, alles roch nach Sandra, er machte eine kleine Zeitreise,
die Erinnerung und das Tramal drückten auf sein Herz.
Sebastian fand sie im Schlafzimmer. In der gleichen Position wie Frau Grieber.
Er musste wieder kotzen, ging aber nicht zu Boden, sondern hielt sich am Türrahmen fest.
Das war Sandra die da lag.
Ausgeweidet. Kalkweiß.
Er hielt sich die Ohren zu, schloss die Augen
und brüllte.
Er wollte die ganze Welt totschreien, sie alle sollten bluten und bezahlen.
Sebastian wankte zur Seite, sein Hals tat weh.
Sandra hustete. Sie hatte die Augen weiterhin geschlossen.
Er krabbelte auf das Bett und berührte dabei Darmschlingen die ihr aus dem offenen Bauch hingen.
Sebastian streichelte ihr durch die Haare.
Er war zu spät gekommen. Er war kein Held, kein Retter.
"Sandra?"
Sie atmete leise und flach.
"Weh....", sie holte Luft "ich", Sandra sprach mit leiser Stimme, es war ein verhaltenes Flüstern.
Er gab ihr einen Kuss auf den Mund, dann noch einen und biss ihr leicht in die Oberlippe. Genauso wie er es all die Jahre immer getan hatte.
"Sebast...?", fragte sie.
Er lächelte.
"Sebastian?", fragte sie.
"Ja.", er streichelte ihr nochmal durch die Haare.
Sandra holte Luft und atmete sie nicht mehr aus.
Sebastian spürte etwas Kaltes in seinem Nacken.
"Runter vom Bett Arschloch.", Herr Reise sprach durch die Zähne, er hatte immer noch Schmerzen.
Sebastian krabbelte im Rückwärtsgang vom Bett, seine Arme, seine Jeans und sein Hemd waren blutverschmiert.
Er stand Reise von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
"Fick dich, man.", sagte er.
Reise hatte sich Taschentücher in die Nasenlöcher gestopft.
"Draufbeissen Arschloch, verlieren deine Zähne den Kontakt zur Waffe, drücke ich ab."
Sebastian nahm die Pistole in den Mund.
Reise und er gingen in das Wohnzimmer, dort musste sich Sebastian auf das Sofa setzen.
"Ich hab überlegt, was ich mit dir Arschloch jetzt anstelle und ich habe eine Entscheidung getroffen.", Reise lächelte, er saß ihm gegenüber auf einem Bürostuhl.
"Na? Mich ficken und ausweiden? Mir ins Gesicht spritzen", Sebastian hatte keine Angst, er hatte Tramal für Zwei geschluckt, Schmerzen würden nicht das Problem sein.
Reise lachte kurz auf. "Nein, du bist witzig Arschloch, ich werd dir deinen Schwanz abschneiden und dich verbluten lassen."
Sebastian fing, aus vollem Herzen, an zu lachen.
"HEY!", brüllte Reise.
Sebastian beruhigte sich wieder. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und kicherte noch ein wenig.
"Okay, ich glaube Herr Reise, ich müsste ihnen da mal was erklären."
"Und das wäre?"
Sebastian stand auf, Reise erhob sofort die Waffe.
"Hey keine Panik, ich will ihnen nur was zeigen.", Sebastian kicherte weiter.
Er liess die Hose runter und Reise machte große Augen.
"Sowas...sowas...sowas habe ich ja noch gesehen.", sagte er.
Sebastian nickte und zog die Hose wieder hoch, dann setzte er sich und sagte:
"Ich werde dich umbringen, Reise. Ich werde dich töten. Ich werde dich abschlachten. Du hast sowas wie meinen zerhackten Hodensack noch nicht gesehen?
Ich sag dir was, du hast sowas wie mich im allgemeinen noch nie gesehen. ICH BRING DICH UM!", Sebastian brüllte, Reise wich ein wenig zurück. Er schaute ihn verwundert an.
"Du Bastard hältst dich für einen Serialkiller, was? Denkst du hast jetzt deinen Spaß mit mir? Du hast keine Ahnung was ich durchgemacht habe, du beschissener zweitklassiger Ramirez.
Ich mach dich fertig, in zwanzig Minuten bist du nur noch ein Haufen blutendes totes Fleisch.",
Sebastian starrte Reise in die Augen. "DU HAST KEINE AHNUNG WAS ICH ERLEBT HABE!"
Reise stand auf, schüttelte den Kopf und ging langsam um den Tisch, der sie Beide voneinander trennte, herum.
Sebastian machte sich bereit jetzt zu sterben, Reise hob die Waffe und schlug ihm auf die Schläfe.
Es wurde dunkel.
Und Sebastian wurde von seinem eigenen Schmerzenschrei wieder wach.
Sie befanden sich in der Küche. Er war mit einem Seil an einen Küchenstuhl gefesselt.
Reise hatte den rechten Arm von Sebastian nicht gefesselt, sondern ihn auf den Tisch gelegt und ein Messer durchgestossen.
Es blutete nicht. Sebastian war zwar voller Schmerzmittel, aber ein Messer in der Hand war von hoher Gefühlsqualität.
Als er sich und seine Schmerzen wieder unter Kontrolle hatte und in das grinsende Gesicht von seinem Widersacher blickte sagte er: "Du willst mich quälen?".
Reise war komplett nackt, das schien für ihn dazuzugehören.
Reise nickte, "Gerne, du bist interessant, sowas wie dich habe ich wirklich noch nie getroffen.", er hatte sich Taschentücher in die Nase gestopft.
"Ja, dann fang mal an.", Sebastian versuchte kalt zu wirken, es gelang ihm nicht, seine Stimme überschlug sich.
Deswegen fügte er: "Du beschissener Dreckskerl." hinzu.
"Ich will dir mal was erzählen du verfickter Eunuch.", Reise beugte sich ein wenig vor und war nur noch einige Zentimeter von Sebastians Gesicht entfernt.
"Weißt du eigentlich warum ich das hier alles mache?", für einen kurzen Moment zögerte Sebastian ihm eine Kopfnuss zu geben, die Beweggründe hätte ihn
schon interessiert, aber wahrscheinlich ging es um "Ich musste meiner Mama immer in das Gesicht onaniere"-Geschichten.
Also zog er durch.
Kopfnuss.
Wieder auf die Nase.
Reise kippte stumm nach hinten auf den Küchenboden. Sebastian zählte von fünf runter und riss mit allen Kräften die er hatte seine rechte Hand nach oben.
Er konnte das Messer mit rausziehen, stand aber kurz vor einer schmerzbedingten Ohnmacht, er kippte einfach mit dem Stuhl auf Reise.
Sein Kopf lag auf dem Bauch von dem Mörder.
Die Fesseln hatten sich ein wenig gelöst, aber nicht genug um sich zu befreien.
Er ruschte ein wenig runter, denn endlich hatte er einen Plan.
Sebastian tat etwas, was er unter normalen Umständen niemals getan hätte.
Er nahm den Schwanz von Reise komplett in den Mund, unterdrückte sein Würgen
und biss dann zu.
Sebastian schabte mit den Zähnen hin und her bis er den Penis abgetrennt hatte.
Dann spuckte er das Stück in seinem Mund aus und brüllte. "JAA! Ich mach dich fertig, ich habs doch gesagt, du Arschloch!"
Reise weinte und schrie gleichzeitig. Er war vor Schmerzen von Sinnen und schmiss sich von einer Seite auf die Andere.
Aus dem Penis-Stumpf sickerte unentwegt Blut heraus.
Mit dem rechten Arm konnte Sebastian das Messer vom Tisch greifen und schnitt die Fesseln durch.
Er war von oben bis unten voller Blut, selbst seine langen Haare hatten sich vollgesogen.
Sebastian ging zum Abstellraum und fand einen Hammer.
Daneben lagen noch andere Werkzeuge, aber er wollte etwas primitives.
Er wollte zerstören.
Er wankte zurück in die Küche.
Sein erster Gedanke, als ihn die Kugel in den Bauch traf war: "Ich Idiot".
Er hatte die Pistole liegenlassen, hatte sie komplett vergessen. Reise lehnte gegen den Kühlschrank, verblutete und schoss ein zweites Mal,
Sebastian kippte um und die Kugel verfehlte ihn. Reise hatte nicht genug Kraft für einen dritten Schuss. Er liess die Waffe herabsinken.
Der Bauch von Sebastian brannte wie Feuer. Der Stomabeutel war kaputt und ihm lief warmer Urin über den Bauch.
Die Blutung hatte noch nicht begonnen, aber lange würde der Gefäßschock nicht halten.
Er robbte mit dem Hammer in der Hand auf Reise zu.
Sebastian weinte.
Die komplette Einbauküche und die Fliesen waren mit Blut verschmiert.
Sebastian zog sich an Reise hoch und schaute ihm tief in die Augen, er konnte noch Leben in ihnen erkennen, eigentlich wollte er wieder brüllen aber er schaffte es nicht, so flüsterte er:
"Du hast dir den Falschen ausgesucht.", er hustete, ihm lief Speichel aus dem Mund. "Du hast dir das falsche Mädchen und den falschen schwanzlosen Verlierer ausgesucht, Reise."
Sebastian war kraftlos, die Blutung hatte begonnen, so brauchte er mehrere Schläge um Reise den Schädel einzuschlagen.
Das Schlafzimmer, Sandra, war sein Ziel.
Sebastian war zu schwach um aufzustehen, also robbte er langsam in den Flur.
Im Wohnzimmer verblutete er.
In ihren Augen war stumpfe Verzweiflung zu sehen, natürlich könnte man sich arrangieren.
Sandra könnte sich einen Liebhaber zulegen. Könnte sich ihre Befriedigung woanders holen.
Er könnte sie auch ohne Penis zum Orgasmus bringen, aber auf Dauer würde das nicht reichen. Die Paartherapeutin unterstrich immer wieder, dass Sebastian mehr wert ist als ein Penis. Für einen guten Menschen braucht es mehr als einen funktionierenden Penis. Das mochte ja sein. Aber für eine gute Beziehung? Er glaubte nicht daran.
Die Ärzte hatten ihm erklärt, dass sein Urin ab jetzt aus einem Loch am Bauch fließen würde.
Urostoma.
Er müsste nur immer einen Beutel draufkleben.
Urostoma
Aus dem Rest Scheißdreck und Gewebsmatsche zwischen seinen Beinen würden sie schon etwas einigermaßen ansehnliches formen können.
Urostoma.
Eine zumindest teilweise Amputation war unausweichlich, auch die Blase war nicht mehr zu retten.
Der Hodensack war vor der Operation fast so groß wie ein Fußball und musste komplett abgetragen werden.
Fassungslos hatte er jeden Morgen seine Eier angestarrt, die Haut war zum Zerreißen gespannt und brannte wie Feuer. Zum Schluss, kurz vor der Einweisung ins Krankenhaus, hatte er schwarze Flecken entdeckt. Nun war es vorbei, er würde immer noch fassungslos zwischen seine Beine starren, aber das Sichtfeld würde ihm versperrt bleiben.
Versperrt vom Plastikbeutel auf seinem Urostoma.
Er liebte Sandra so sehr.
Sebastian wollte weinen, tat es nicht, konnte nicht
Ihre Augen waren ein Spiegel für ihn. Sie war sein Leben.
Sebastian hatte sich noch immer nicht bewegt.
Nun, es war so weit.
Er drückte die Klingel.
Es war der Neuanfang.
Der Neustart. Startschuss für ein neues Leben.
Er seufzte und wartete auf die Schwester.
Willkommen in der Scheiße.
-Zwei Jahre, fünf Tage, sieben Stunden, 38 Minuten und 42 Sekunden später-
Sebastian saß im Wagen und wartete.
Mittlerweile war es Nacht geworden. Die Sonne war vor Stunden hinter den Reihenhäusern und Doppelhaushälften verschwunden.
Die spielenden Kinder waren verschwunden und lagen im Bett.
Er rauchte eine Zigarette.
Auf dem Beifahrersitz lag ein Fernglas und eine Kamera.
Er wartete seit sieben Stunden, dass die Frau wieder aus der Wohnung kam.
Am Anfang war er immer persönlich betroffen gewesen. Aber mittlerweile hatte sich eine bleierne Decke aus Zynismus und damit verbundener Verachtung über seine Gefühle gelegt.
Es geht immer nur um Sex. Es geht immer nur ums Ficken, und wenn es nicht darum geht, dann geht es um Geld, und dann ist der Weg zum Sex auch nicht mehr sehr weit. Der Kreislauf des Lebens. Vielleicht sogar auch der Sinn.
Er nahm einen Schluck aus seiner Thermoskanne.
Sebastian verzog das Gesicht. Selbst nach zwei Jahren hatte er sich nicht an den Geschmack von Wodka gewöhnt. Er war Alkoholiker. Aber ein Unzufriedener, denn er hatte geglaubt irgendwann würde ihm das Zeug schmecken.
Aber das tat es nicht. Es war bitter, eklig und brachte ihn regelmäßig zum Kotzen. Vor jedem Schluck musste er tief Luft holen und sich konzentrieren, damit er den Alkohol nicht sofort wieder ausspuckte oder hochwürgte. Er hatte sich auf Wodka spezialisiert, davon bekam er keinen Mundgeruch.
Der kam meist erst am nächsten Morgen, aber das war mit einer scharfen Zahnpasta zu vertreiben.
Nun, es ging um die Wirkung. Darauf kam es an.
Auf nichts anderes.
Naja vielleicht doch noch etwas. Hydromorphin, Tramadol und Tilidin waren wichtig geworden. Zusammen mit Wodka konnte er seine Unzufriedenheit fast nicht mehr spüren. Die Wut auf seinen Verlust wurde leise und alles wurde warm. So schön warm. Jede Zelle in seinem Körper fingt nach den bitteren Tropfen an zu singen. Jede Kapsel geöffnet und den Inhalt durch die Nase, war sein Gebet am Morgen und am Abend. Keine Wahl, nach vier Stunden fing das Zittern und Frieren an. Gefangen im Paradies. Für immer dicht.
Ihm war kalt, das einzig wärmende im Auto war die "Weakerthans"-CD die gerade lief. Er nickte ein wenig im Rhythmus von "Left and Leaving" mit.
Sebastian stand mit seinem Auto in einem Bremer Vorort.
Um ihn herum befanden sich putzige kleine Reihenhäuser und Doppelhaushälften.
Es war jetzt 22:45 und fast nirgends brannte mehr Licht.
"Was ist eigentlich euer scheiß Problem?", fragte er.
"Samstag Abend und ihr schlaft alle schon...wo ist euer scheiß Problem?", dann nahm er noch einen Schluck Wodka.
Das Licht in der Wohnung von Herrn Reise brannte noch.
Links oben, neben dem Balkon. Seine Frau war in der Kur und die Kinder für eine Woche bei ihren Großeltern.
Leider war das Rollo heruntergezogen. Sein Auftragsgeber hätte sich sicherlich über ein paar Beweisfotos gefreut.
Obwohl, der Begrüßungskuss schon Beweis genug war. Eigentlich hätte er schon wieder fahren können.
Aber da war was. Irgendwas liess ihn hier stehenbleiben.
Er hatte in den letzten zwei Jahren einen gewissen Instinkt entwickelt.
Sebastian konnte es selber nicht klar definieren. Da war halt irgendwas in seinem Kopf. Eine art Gefühl, ein Summen.
Vielleicht lag es auch einfach an den Erfahrungen die er in seinem Leben machen musste.
Die Lügen von Sandra, nicht dass sie ihn überrascht hätten, aber er hatte versucht sie zu übersehen. Sebastian hatte weggeschaut.
Bis es irgendwann so offensichtlich war, dass er sie verlassen musste.
Aber es war ein abgezähltes Spiel gewesen, sie wollte ihn dazu bringen, damit sie sich selber noch im Spiegel anschauen konnte.
Damit sie sich nicht eingestehen musste ihren Mann verlassen zu haben, weil ihr ein vernünftiger Schwanz fehlte. Er selbst fühlte sich schuldig.
Er wusste dass er nichts dafür konnte, aber auf eine perverse Art und Weise hatte er Sandra doch selber dazu getrieben ihm fremd zu gehen.
Hätte er noch einen Schwanz gehabt, wäre er früher zum Arzt gegangen, sie hätte ihn niemals verlassen. Doch an einem Sonntagmorgen packte sie ihre Koffer.
Als sie die Tür hinter sich schloss, betastete Sebastian sein Gesicht, bei ihrem Abschiedskuss hatte Sandra eine Träne auf seinem Gesicht hinterlassen.
Er stürzte sich nach der Trennung in Gelegenheitsjobs, vom Kiosk, zu Zeitungen verkaufen bis zum Toilettenmann.
Irgendwann meldete er sich auf ein Jobangebot in der Zeitung, die Privatdetektei "Prinz" suchte nach "Aushilfen". Er hatte keine Ahnung was sie damit meinten, aber er meldete sich trotzdem.
Er hatte viel Zeit und das passte gut, denn die Detektei suchte nach Leuten die Beschattungen durchführen sollten.
Sein Chef Herr Prinz, war ein netter Mensch. Sein Chef hatte kein Problem damit, wenn sich Sebastian krankschreiben lassen musste. Er lag manchmal tagelang im Bett, niedergeschlagen von
Schmerzzuständen und Depressionen. Er besuchte ab und zu die Hölle und kam gereinigt wieder. Katharsis ohne Ergebnis.
Sebastian kratzte sich an seinem Kinn. Strich sich durch den vollen Bart.
Das war auch sein psychologisches Ding, die Welt hatte ihn verstossen und um zu zeigen, dass er auch gar nicht zurückwollte,
hatte er sich einen Vollbart stehen lassen und die Haare lang wachsen lassen.
Sein "Leckt mich alle am Arsch" bestand aus Haaren im Gesicht und auf dem Kopf.
Eine Bewegung.
Am Fenster.
Er griff zum Fernglas.
Das Licht ging aus.
Nun, die Dame hatte vor bei ihrem "Freund" zu nächtigen.
Er grinste. Das war ein Symptom.
Der Seitensprung schien verbunden mit emotionaler Nähe, würde es nur ums Vögeln gehen, dann wäre sie weggefahren oder die Beiden hatten tierisch was vor.
Rollenspiele? Ausufernde Fetische?
Er nahm einen Schluck Wodka, diese Scheiße machte ihn fertig.
Also rauchte er noch eine Zigarette.
"Leckt mich", flüsterte er und öffnete sein Handschuhfach. Zwischen seinen gelb verfärbten Zulassungspapieren und leeren Zigarettenschachteln
lag eine kleine Flasche voller Tramaltropfen. Er tropfte sich zwanzig Tropfen in den Mund, das ergab 200 Milligramm pure Motivation und Ausgeglichenheit.
Komischerweise hatte er sich an den bitteren Geschmack des Schmerzmittels gewöhnen können, im Gegensatz zum Alkohol.
In ungefähr einer halben Stunde würde sein Körper mit Endorphinen überflutet werden, gute Sache, denn Sebastian Rissner würde die Nacht im Auto verbringen.
Er biss sich fest.
Und im Nachhinein betrachtet war das ein sehr großer Fehler.
-Neun Stunden, Sechs Minuten und 42 Sekunden später-
"Scheiße.", Sebastian fluchte sofort, als er aufgewacht war.
Ein wenig wunderte er sich und zuckte dann mit den Achseln.
Nahm einen Schluck Wodka, spülte sich damit den Mund aus, öffnete kurz die Autotür und spuckte
den Alkohol auf die Straße.
Er müsste weiter ausharren.
Spätestens gegen Mittag musste sie wieder nach Hause.
Ihr Ehemann, Sebastians Auftraggeber, hatte Verdacht geschöpft, weil sie sich an den Wochenenden an denen er häufig noch im Büro arbeiten musste, immer öfter
mit Freundinnen in Discotheken rumtrieb. Typisch. Das hätte sie vorher noch nie gemacht, dazu noch Textnachrichten zu später Stunde,
fremde Haare und Geruch auf und in der Kleidung. Zeit für eine ordentliche Observierung von Frau Grieber. Nach einigen Wochen Beschattung und Recherche hatte er ein relativ klares Bild
von der Ehefrau seines Auftraggebers. Frau Grieber war keine typische Betrügerin. Sie hatte Klasse, war zwar in der Mittelschicht geboren, hatte aber durch ihren Mann in die oberen Zehntausend
eingeheiratet. Herr Grieber war im Vorstand eines Familienbetriebes. Er war der Cousin des Geschäftsführers, die Firma produzierte hauptsächlich Fischdosen und dazugehörige Gewürze. Sebastian hatte bei seinen Recherchen festgestellt dass die Firma großen Gewinn einbrachte.
Trotz des Reichtums war die Frau Grieber nicht abgehoben, kaufte noch beim Edeka ein und trug keine überteuerte Designerkleidung. Sie ging häufig in die Bücherei oder mit Freundinnen in Restaurants.
Die Discotheken in denen sie zu finden war, hatten eine gewisse Klatschblattatmosphäre. Häufig stand Sebastian während seiner Beschattung vor der Discothek in einer Reihe mit Promiphotographen, die in ihren Autos stundenlang auf ein gutes Motiv warteten. Vor zwei Wochen hatte Frau Grieber dann angefangen, sich mit einen Mann zu treffen. Zuerst in Cafes, dann in Restaurants und mittlerweile in Hotels.
Heute waren sie aber, augenscheinlich, bei ihm in der Wohnung. Sebastian wunderte sich, ein Mann der in einer Doppelhaushälfte lebte, musste eine Familie haben, und da er Frau Grieber für eine stilvolle Frau hielt, wunderte er sich dass sie es übers Herz brachte mit ihrem Liebhaber in solch einer Umgebung zu schlafen. Aber wie sehr man es auch versuchte, man kann sich niemals ganz in eine Person reindenken, es war auch gut möglich, dass dieser allerletzte Tabubruch ihr erst Recht den letzten Kick gab.
Drei Stunden später war sie immer noch nicht aus dem Haus gekommen.
Hatte Sebastian sie verpasst?
Könnte sein. Er seufzte und konzentrierte sich für einen Moment auf das wohlige Kribbeln in seinen Beinen. Er hatte das Tramal perfekt dosiert.
Dann betastete er sein Stoma.
Es war Zeit für einen Beutelwechsel. Der Kleber würde sich bald lösen.
Sebastian entschied sich nach Hause zu fahren. Gegen Abend würde er Herrn Grieber anrufen und mal wieder Befürchtungen bestätigen.
Als er den Wagen startete schlug das Tramal voll ein und er stellte sein Autoradio an.
Die Weakerthans fingen an zu spielen.
-Sechs Stunden, 52 Minuten und 44 Sekunden später-
"Sie ist noch nicht da."
"Sie ist noch nicht da?", Sebastian wiederholte seine Frage.
"Nein. Steffi ist noch nicht nach Hause gekommen.", Herr Griebers Stimme überschlug sich wie im Stimmbruch.
Sebastian überlegte, er war sich sicher gewesen, dass die Ehefrau seines Auftraggebers nach Hause gefahren war. Wollte sie durchbrennen?
Es sah ihr nicht ähnlich so verdächtig lange wegzubleiben.
"Haben sie ihre Frau schon angerufen?", fragte er, überflüssig die Antwort, natürlich hatte Herr Grieber sie angerufen, wahrscheinlich hatte er seit gestern Abend
alle zwei Minuten ihre Nummer gewählt.
Sebastian kannte das.
Er hatte an dem Ufer der Weser geparkt und seine Tür geöffnet, es war ein heißer Tag und sein Wagen hatte keine Klimaanlage.
Im Rückspiegel sah er zwei hübsche, junge Mädchen vorbeigehen, sie trugen Bikinis und ihre Tragetaschen zeigten ihm, dass sie gleich schwimmen gehen wollten.
Eines der Mädchen hatte ein Handtuch über die Schulter gelegt.
Sebastian durchzuckte ein brennender Schmerz.
"Ich komme zu ihnen, Herr Grieber, wir müssen reden. In zwanzig Minuten bin ich da.", sein Auftraggeber wollte antworten bekam aber nur ein Schluchzen zustande.
Sebastian legte auf und schloss die Wagentür.
-18 Minuten und Sieben Sekunden später-
Das Ehepaar Grieber wohnte in einem großen und beeindruckendem Haus. Man hätte es auch als Villa bezeichnen können, aber dafür wäre sich die wohlhabende Nachbarschaft zu schade.
Wenn schon, dann besaß man ein Anwesen. Die anstehenden Häuser standen dem von Herrn Grieber in Nichts nach. Die Grundstücke waren mit Mauern begrenzt,
einige Nachbarn hatten sogar Stacheldraht aufgezogen. Um zu Herrn Griebers Haus zu gelangen, musste Sebastian erst durch ein oppulentes Tor fahren.
Es stand tagsüber offen und wurde Abends von der Haushälterin, Kathrina, auf dem Nachhauseweg geschlossen.
Genau diese Haushälterin machte ihm die Tür auf, sie war jung, etwas dick und ihre bleiche Haut war von einem schweißigen Film überzogen. Sie trug eine fleckige Schürze und hatte die Haare
zu einem schlampigen Zopf zusammengebunden.
Sie lächelte und führte Sebastian wortlos durch die Eingangshalle in das Büro des Hausherrn.
Herr Grieber saß im Morgenmantel an seinem Schreibtisch. Er hatte zwar kaum noch Haare, aber die die sich noch auf seinem Kopf befanden standen wirr durcheinander.
Sein grauer Schnurrbart war ungestutzt und wuchs leicht über die Lippen, er rauchte eine Zigarette und hatte ein Glas mit Whiskey auf dem Tisch zu stehen.
Den Kopf hatte er auf seiner Hand gestützt, Sebastian betrat den Raum, doch er schaute nicht auf.
"Guten Morgen Herr Grieber.", er reagierte nicht.
"Herr Grieber?", endlich schaute sein Auftraggeber auf, er wirkte durcheinander, fasste sich aber schnell und lächelte ihm zu.
"Guten Morgen Herr Rissner, bitte setzen sich doch.", er zeigte auf den Sessel vor seinem Schreibtisch.
Sein Büro war groß. Hinter Herrn Grieber befand sich ein ausladendes Fenster mit dem man den ganzen Garten überblicken konnte.
An den Wänden standen hohe Bücherregale aus dunklem Holz. Sebastian hatte die Bücher bei seinem letzten Besuch ausführlich betrachtet.
Die meisten handelten von Finanzmärkten, Abhandlungen über die Wirtschaft und Autobiographien von Professoren die ihm nicht geläufig waren.
"Sie betrügt mich, oder?", fragte Herr Grieber.
"Ja, ich hab die Begrüßung auf der Kamera, nicht wirklich hundertprozentige Bestätigung, aber nach meiner Erfahrung und der Zeit
die sie miteinander vebracht haben, doch ja, ich gehe stark davon aus."
Sein Auftraggeber
"Wo ist meine Frau.", fragte Herr Grieber.
"Ich weiß es nicht.", Sebastian setzte sich und überschlug langsam die Beine.
"Finden sie es heraus, bitte.", die Augen von Herrn Grieber wurden feucht.
"Es tut mir leid wenn ich bei so einer persönlichen Geschichte aufs Geschäft zurückkommen muss, aber Herr Grieber das kostet alles Geld."
"MIR EGAL!", sein Gegenüber schlug mit geballter Faust auf den Schreibtisch.
"Entschuldigen sie Herr Rissner, aber es ist mir scheißegal wieviel das kostet, sie finden raus wo meine Frau ist und sie finden raus wer der Kerl ist. Okay?", er zeigte mit dem Finger auf ihn.
"Klar, alles was sie sagen, mein Chef ruft sie heute an und klärt die Details, Spesen und Abrechnungen im Allgemeinen."
"Gut, Gut."
Wirklich?
-Zwei Stunden, 37 Minuten und 48 Sekunden später-
Sebastian nahm noch einmal zwanzig Tropfen Tramal zu sich.
Er hatte den Wagen wieder vor dem Haus, in dem er Frau Grieber zuletzt gesehen hatte, geparkt. Über das Büro hatte er den Namen von ihrem Liebhaber herausgefunden.
Manuel Reise. 29 Jahre alt, Versicherungskaufmann (Vertreter), und unverheiratet. Sebastian überlegte was die Beiden in der Doppelhaushälfte zu suchen hatten.
Herr Reise wohnte in einem ganz anderen Stadtteil, wem gehörte dann das Haus vor dem er parkte? Auf der Klingel stand kein Name. Die Prinz Agentur hatte nicht herausfinden können wer in diesem Haus lebte.
Sonderbar.
Er zündete sich eine Zigarette an und beobachte die Kinder die am der Straße spielten. Sie kickten sich im Kreis einen Ball zu, einige versuchten ihn in der Luft zu halten,
was ihnen aber höchstens zweimal hintereinander gelang. Er lächelte.
Vielleicht hatte Sandra ihn ja gar nicht wegen dem Sex verlassen? Vielleicht war es die Aussicht niemals Kinder zu haben? Er seufzte.
Sebastian machte sich nach, all der Zeit die vergangen war, immer noch Gedanken, er ging sich selber auf die Nerven. Dennoch musste er daran denken wie er das letzte Mal mit seiner Frau geschlafen hatte.
Sie waren nach einem romantischem Abendessen im Wohnzimmer übereinander hergefallen, angetrunken vom Wein hatte Sandra ihm das Hemd aufgerissen und zu Boden gezogen.
Es war intensiv und hart, danach waren sie auf dem Boden nebeneinander eingeschlafen.
Am nächsten Morgen pisste Sebastian zum ersten Mal Blut.
Er hatte es niemals geschafft sich von ihr zu lösen. Wenn es ihm schlecht ging, und es ging ihm fast immer schlecht, dann fuhr er zu ihrer neuen Wohnung und parkte seinen Wagen gegenüber.
Sie wohnte im zweiten Stock, meistens waren ihre Vorhänge zugezogen, aber darum ging es ihm gar nicht. Sebastian wollte Sandra nur in seiner Nähe wissen.
Bei jedem jungen Mann der das Haus betrat oder verließ fuhr ihm ein Stich ins Herz, jeder war ein potentieller neuer Freund von seiner Frau.
Ab und zu sah er auch sie, mit Einkaufstaschen bepackt, manchmal hetzte sie eilig zur Arbeit und manchmal spazierte sie gedankenverloren aus dem Haus.
Sebastian war sich im Klaren darüber wie krank das alles war, er war ein Stalker. Er war vielleicht passiv, aber wer würde behaupten dass sich das nicht ändern könnte?
Das Tramal schlug wieder ein und ihm wurde angenehm warm. Es war keine schweißtreibende Hitze, es war eine friedliche und beruhigende Wärme die seinen Körper von ihnen durchzog.
Die Sonne ging unter, es würde schnell kalt werden, umso mehr genoß er die Empfindungen die das Tramal auslöste. Er trank einen Schluck Wodka.
Im Haus hatte sich nichts getan, das Licht war aus und die Balkontüren geschlossen. Selbst die Nachbarn waren nicht zu Hause.
Sebastian wurde langsam unruhig.
Zuerst spazierte er nur am Haus vorbei und versuchte unauffällig in die Erdgeschoßfenster zu spähen, aber die Lichter waren aus und er konnte nichts erkennen.
Sebastian bliebt direkt vor der Doppelhaushälfte stehen und überlegte.
Dann hörte er jemanden schreien.
-Zehn Minuten und 59 Sekunden später-
Er stand im Wohnzimmer.
Das Zerbrechen der Glastür war nicht so laut gewesen, wie er gedacht hatte.
"Scheiß drauf.", das Tramal befand sich jetzt ganz tief in seinem Hirn. Ihm wurde schwindelig, aber gleichzeitig war er von einem inneren Drang zur Aktion erfüllt.
Seine Augen tasteten die Wohnung ab. Wohnzimmer mit Essnische, Laminat ausgelegt, nichtssagende Landschaftsmotive an der Wand. 16:9 Flatscreen an der Wand.
Schwarzes Ledersofa farblich abgepasst auf die Holzfarbe der Schränke und des Esstischs.
Das letzte Mal hatte er Licht im oberen Stockwerg gesehen, Sebastian ging in den Flur und die Treppe hoch.
Im zweiten Stockwerk waren drei Türen. Die eine führte ins Badezimmer. Es war fast klinisch rein, der Spiegel fleckenfrei, die Kacheln auf dem Boden strahlten in sauberstem Weiß.
Er machte die Tür zu und öffnete die Nächste.
Frau Grieber lag ausgweidet auf dem Bett.
Sebastians Lunge machte zu und er ging in die Knie. Er versuchte panisch Luft zu bekommen. Einen Atemzug tätigen.
Wieder Sauerstoff in den Körper zu bringen. Nach einem Moment, der ihm wie fünf Minuten vorkam, schafft er es einzuatmen
und erbrach sich danach sofort.
"Verfi..", er erbrach sich wieder. Die Kotze schoß ihm mit gnadenlosem Druck aus dem Mund und der Nase.
"Scheiße."
Er stand zitternd auf und ging einen Schritt zurück.
Frau Grieber war an Armen und Beinen gefesselt, sie waren am Kopf und Ende des Bettes befestigt.
Der Bauch von Frau Griefer war komplett eröffnet, die Darmschlingen hingen heraus, flüssiger Stuhlgang war auf das Bett gelaufen.
Es stank unglaublich. Es nahm Sebastian den Atem.
Das Gesicht von Frau Griefer war entspannt. Der Geruch von Scheiße und Blut liess ihn würgen, dennoch ging er einen Schritt auf die Leiche zu.
Seine Augen tränten, seine Sicht war verschwommen, er rieb sich durch das Gesicht und konnte danach etwas besser sehen.
Frau Griebers Gesicht war voller Sperma. "Super.". Sebastian betrachtete ihren Körper und bemerkte, dass ihr Genital komplett zerschnitten war.
Damit konnte er sich identifizieren.
Er verfluchte sich selber, der Wodka lag noch im Auto.
Er überlegte, was sollte er tun, die Polizei rufen oder vielleicht Herrn Grieber? Er griff ins eine Hosentasche um 110 zu wählen.
Doch er blieb in der Bewegung stecken, nein, er würde niemanden anrufen. Er würde die Sache selber in die Hand nehmen.
Sebastian würde einmal in seinem Leben etwas bedeuteten, einmal in seinem Leben würde er wieder etwas gutes tun.
Er würde diesen Kerl finden, er würde ihn aufspüren und zur Strecke bringen.
"Und dann?", fragte er sich.
Darauf hatte Sebastian noch keine Antwort.
Wo könnte er sein?
Wo könnte er hingefahren sein?
Er setzt sich in sein Auto und überlegte.
Wie spät war es? Er schaute auf sein Handy.
Kurz vor Mitternacht, wie lange war er in der Wohnung geblieben und hatte auf die Leiche gestarrt?
Egal, er bekam einen leichten Schreck, denn auf seinem Handy befanden sich sechs unbeantwortete Anrufe.
Sebastian schaute auf die Nummer des Anrufers und hielt die Luft an. Die Nummer war ihm wohlbekannt, er hatte zwei Jahre gegen ankämpft sie zu wählen.
Es war die Nummer von Sandra.
Sie hatte nichts auf der Mailbox hinterlassen.
-22 Minuten und 34 Sekunden später-
Er trat das Gaspedal durch, während er sich ohne zu zählen Tramal in den Hals schüttete.
An der ersten roten Ampel nahm er einen großen Schluck Wodka. Sebastian hatte ein schlechtes Gefühl in der Magengegend, was nicht nur am Alkohol lag.
Er hatte Herrn Reise und Frau Grieber lange beschattet. Er war vorsichtig gewesen, Sebastian hatte alle Regeln eingehalten.
Aber irgendwie wurde er den Gedanken nicht los, dass er selber von Herrn Reise beschattet wurde. Hatte er ihn bemerkt?
War er Sebastian vielleicht sogar zu Sandras Wohnung gefolgt? Hatte er sie gesehen? Hatte er sie als interessant befunden?
Wollte er sich an Sebastian rächen, ein Ausgleich für den Stress den er ihm verursacht hatte? War es die Absicht von Reise, dass Sebastian die Leiche gefunden hatte?
Er öffnete sein Handschuhfach und griff sich das halbvolle Tillidinfläschchen. Vierzig bittere Tropfen und noch ein Schluck Wodka.
Es brannte Licht in Sandras Wohnung.
Er wusste nicht ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
Sebastian trank die komplette Thermoskanne Wodka aus.
"Motherfucker.", er lächelte. Sandra hatte ihm immer verboten zu fluchen. Sie konnte es nicht hören.
"Stricher, Hurensohn, Schwuchtel, Kopffotze, dreckiger Bastard.", die Wörter flogen nur so aus ihm raus, ein Massenausbruch von eingesperrten Schimpfwörtern.
Das Tramal schlug hart ein. Sein Beine zitterten vor Freude, seine Arme wurden angenehm warm, sein Kopf vibrierte vor Tatendrang.
Er hatte keine Waffe, keine Pistole, ja noch nicht mal ein Messer. Sebastian schaute in den Rückspiegel, betrachtete seine Pupillen, sie waren stecknadelkopfgroß
Beste Vorraussetzungen um richtig Ärger zu machen.
Sebastian stieg aus dem Wagen.
Er stellte sich vor die Eingangstür und suchte nach dem Namen von Sandra.
Er drückte auf ihre Klingel. Ihm war einfach nichts besseres eingefallen. Was war er bloss für ein "Ermittler"? Ohne Plan und Idee.
Die Gegensprechanlage blieb stumm.
Er klingelte noch einmal, wieder keine Antwort, dann drückte er sechsmal hintereinander die Klingel.
Das Rauschen der Anlage übertönte fast die Stimme des Mannes der antwortete:
"Ja?".
"Guten Abend, ich wollte gerne zu Sandra."
Sebastian stellte sich auf ein kompliziertes, fintenreiches Gespräch ein, er war bereit alle seine rethorischen Fähigkeiten zu nutzen die er im
Laufe seines Lebens erlernt hatte.
Aber
"Ja, kein Problem. Ich mache auf.", sagte die Stimme.
Sebastian wunderte sich.
Eine Falle? Ein Plan?
Es war ihm egal, das Tillidin machte ihn agressiv, es war eine paradoxe Sache. Er fühlte sich scharf wie eine Klinge und gleichzeitig in Watte gepackt.
Sebastian ging langsam die Treppen hoch, er wollte nicht atemlos oben angekommen.
Ihm kam der Gedanke, dass er sich vielleicht gleich tierisch blamieren könnte. Serienmörder? Sandra würde ihn auslachen. Nein.
Sie würde ihn mitleidig anschauen und einen Arzt rufen.
Sebastians Herz fing an zu klopfen.
Herr Reise stand vor ihm in der Tür und lächelte freundlich.
Er hatte ein klares glattes Gesicht. Sein Kinn war eckig ausgeprägt, die Wangen schmal und sein ausgeprägter Kehlkopf unterstützte den allgemeinen maskulinen Eindruck.
Sebastian musste sich eingestehen, dass er den Mann vor ihm als attraktiv einschätzte.
Ach was mache er sich vor, Reise sah umwerfend aus. Seine Haare waren kräftig, dick und lockig, die blonde Farbe liess ihn wie eine altertümlicher Sagengestalt aussehen.
"Was... machen sie....... hier?", fragte Sebastian, der Alkohol und das Tramal trafen sich gerade in der Blutbahn.
"Ich bin bei meiner Freundin zu Besuch?", Herr Reise lächelte weiter und Sebastian fielen die strahlend weissen Zähne auf.
Sebastian sah Sterne vor den Augen. In seinen Muskeln sammelten sich Erinnerungen. Die Erinnerungen an die hübschen Menschen.
An schöne junge Frauen, maskuline Männer, Kinobesuche, Grillabende, Discotheken, lächelender Flirt Small Talk, Händchen halten,
küssen, Petting, Ficken, all das was er nicht mehr machen konnte, alles woran er nicht mehr teilhaben "durfte". All die verlorenen Zeiten und Möglichkeiten.
Mit der Wucht dieser Erinnerungen
landete Sebastians Faust auf der Nasenspitze von Herrn Reise.
Herr Reise sank zu Boden, Blut spritzt aus beiden Nasenlöchern.
In Filmen hört man bei Schlägen immer ein klatschendes Geräusch, die Wirklichkeit ist anders, meist hört man gar nichts.
Und wenn, dann ist es ein klatschendes, trockenes Geräusch.
Sebastianstieg über den halb-bewusstlosen Körper von Reise hinweg.
Er suchte die Wohnung ab. Er achtete nicht auf die Stiche in seinem Herzen, alles roch nach Sandra, er machte eine kleine Zeitreise,
die Erinnerung und das Tramal drückten auf sein Herz.
Sebastian fand sie im Schlafzimmer. In der gleichen Position wie Frau Grieber.
Er musste wieder kotzen, ging aber nicht zu Boden, sondern hielt sich am Türrahmen fest.
Das war Sandra die da lag.
Ausgeweidet. Kalkweiß.
Er hielt sich die Ohren zu, schloss die Augen
und brüllte.
Er wollte die ganze Welt totschreien, sie alle sollten bluten und bezahlen.
Sebastian wankte zur Seite, sein Hals tat weh.
Sandra hustete. Sie hatte die Augen weiterhin geschlossen.
Er krabbelte auf das Bett und berührte dabei Darmschlingen die ihr aus dem offenen Bauch hingen.
Sebastian streichelte ihr durch die Haare.
Er war zu spät gekommen. Er war kein Held, kein Retter.
"Sandra?"
Sie atmete leise und flach.
"Weh....", sie holte Luft "ich", Sandra sprach mit leiser Stimme, es war ein verhaltenes Flüstern.
Er gab ihr einen Kuss auf den Mund, dann noch einen und biss ihr leicht in die Oberlippe. Genauso wie er es all die Jahre immer getan hatte.
"Sebast...?", fragte sie.
Er lächelte.
"Sebastian?", fragte sie.
"Ja.", er streichelte ihr nochmal durch die Haare.
Sandra holte Luft und atmete sie nicht mehr aus.
Sebastian spürte etwas Kaltes in seinem Nacken.
"Runter vom Bett Arschloch.", Herr Reise sprach durch die Zähne, er hatte immer noch Schmerzen.
Sebastian krabbelte im Rückwärtsgang vom Bett, seine Arme, seine Jeans und sein Hemd waren blutverschmiert.
Er stand Reise von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
"Fick dich, man.", sagte er.
Reise hatte sich Taschentücher in die Nasenlöcher gestopft.
"Draufbeissen Arschloch, verlieren deine Zähne den Kontakt zur Waffe, drücke ich ab."
Sebastian nahm die Pistole in den Mund.
Reise und er gingen in das Wohnzimmer, dort musste sich Sebastian auf das Sofa setzen.
"Ich hab überlegt, was ich mit dir Arschloch jetzt anstelle und ich habe eine Entscheidung getroffen.", Reise lächelte, er saß ihm gegenüber auf einem Bürostuhl.
"Na? Mich ficken und ausweiden? Mir ins Gesicht spritzen", Sebastian hatte keine Angst, er hatte Tramal für Zwei geschluckt, Schmerzen würden nicht das Problem sein.
Reise lachte kurz auf. "Nein, du bist witzig Arschloch, ich werd dir deinen Schwanz abschneiden und dich verbluten lassen."
Sebastian fing, aus vollem Herzen, an zu lachen.
"HEY!", brüllte Reise.
Sebastian beruhigte sich wieder. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und kicherte noch ein wenig.
"Okay, ich glaube Herr Reise, ich müsste ihnen da mal was erklären."
"Und das wäre?"
Sebastian stand auf, Reise erhob sofort die Waffe.
"Hey keine Panik, ich will ihnen nur was zeigen.", Sebastian kicherte weiter.
Er liess die Hose runter und Reise machte große Augen.
"Sowas...sowas...sowas habe ich ja noch gesehen.", sagte er.
Sebastian nickte und zog die Hose wieder hoch, dann setzte er sich und sagte:
"Ich werde dich umbringen, Reise. Ich werde dich töten. Ich werde dich abschlachten. Du hast sowas wie meinen zerhackten Hodensack noch nicht gesehen?
Ich sag dir was, du hast sowas wie mich im allgemeinen noch nie gesehen. ICH BRING DICH UM!", Sebastian brüllte, Reise wich ein wenig zurück. Er schaute ihn verwundert an.
"Du Bastard hältst dich für einen Serialkiller, was? Denkst du hast jetzt deinen Spaß mit mir? Du hast keine Ahnung was ich durchgemacht habe, du beschissener zweitklassiger Ramirez.
Ich mach dich fertig, in zwanzig Minuten bist du nur noch ein Haufen blutendes totes Fleisch.",
Sebastian starrte Reise in die Augen. "DU HAST KEINE AHNUNG WAS ICH ERLEBT HABE!"
Reise stand auf, schüttelte den Kopf und ging langsam um den Tisch, der sie Beide voneinander trennte, herum.
Sebastian machte sich bereit jetzt zu sterben, Reise hob die Waffe und schlug ihm auf die Schläfe.
Es wurde dunkel.
Und Sebastian wurde von seinem eigenen Schmerzenschrei wieder wach.
Sie befanden sich in der Küche. Er war mit einem Seil an einen Küchenstuhl gefesselt.
Reise hatte den rechten Arm von Sebastian nicht gefesselt, sondern ihn auf den Tisch gelegt und ein Messer durchgestossen.
Es blutete nicht. Sebastian war zwar voller Schmerzmittel, aber ein Messer in der Hand war von hoher Gefühlsqualität.
Als er sich und seine Schmerzen wieder unter Kontrolle hatte und in das grinsende Gesicht von seinem Widersacher blickte sagte er: "Du willst mich quälen?".
Reise war komplett nackt, das schien für ihn dazuzugehören.
Reise nickte, "Gerne, du bist interessant, sowas wie dich habe ich wirklich noch nie getroffen.", er hatte sich Taschentücher in die Nase gestopft.
"Ja, dann fang mal an.", Sebastian versuchte kalt zu wirken, es gelang ihm nicht, seine Stimme überschlug sich.
Deswegen fügte er: "Du beschissener Dreckskerl." hinzu.
"Ich will dir mal was erzählen du verfickter Eunuch.", Reise beugte sich ein wenig vor und war nur noch einige Zentimeter von Sebastians Gesicht entfernt.
"Weißt du eigentlich warum ich das hier alles mache?", für einen kurzen Moment zögerte Sebastian ihm eine Kopfnuss zu geben, die Beweggründe hätte ihn
schon interessiert, aber wahrscheinlich ging es um "Ich musste meiner Mama immer in das Gesicht onaniere"-Geschichten.
Also zog er durch.
Kopfnuss.
Wieder auf die Nase.
Reise kippte stumm nach hinten auf den Küchenboden. Sebastian zählte von fünf runter und riss mit allen Kräften die er hatte seine rechte Hand nach oben.
Er konnte das Messer mit rausziehen, stand aber kurz vor einer schmerzbedingten Ohnmacht, er kippte einfach mit dem Stuhl auf Reise.
Sein Kopf lag auf dem Bauch von dem Mörder.
Die Fesseln hatten sich ein wenig gelöst, aber nicht genug um sich zu befreien.
Er ruschte ein wenig runter, denn endlich hatte er einen Plan.
Sebastian tat etwas, was er unter normalen Umständen niemals getan hätte.
Er nahm den Schwanz von Reise komplett in den Mund, unterdrückte sein Würgen
und biss dann zu.
Sebastian schabte mit den Zähnen hin und her bis er den Penis abgetrennt hatte.
Dann spuckte er das Stück in seinem Mund aus und brüllte. "JAA! Ich mach dich fertig, ich habs doch gesagt, du Arschloch!"
Reise weinte und schrie gleichzeitig. Er war vor Schmerzen von Sinnen und schmiss sich von einer Seite auf die Andere.
Aus dem Penis-Stumpf sickerte unentwegt Blut heraus.
Mit dem rechten Arm konnte Sebastian das Messer vom Tisch greifen und schnitt die Fesseln durch.
Er war von oben bis unten voller Blut, selbst seine langen Haare hatten sich vollgesogen.
Sebastian ging zum Abstellraum und fand einen Hammer.
Daneben lagen noch andere Werkzeuge, aber er wollte etwas primitives.
Er wollte zerstören.
Er wankte zurück in die Küche.
Sein erster Gedanke, als ihn die Kugel in den Bauch traf war: "Ich Idiot".
Er hatte die Pistole liegenlassen, hatte sie komplett vergessen. Reise lehnte gegen den Kühlschrank, verblutete und schoss ein zweites Mal,
Sebastian kippte um und die Kugel verfehlte ihn. Reise hatte nicht genug Kraft für einen dritten Schuss. Er liess die Waffe herabsinken.
Der Bauch von Sebastian brannte wie Feuer. Der Stomabeutel war kaputt und ihm lief warmer Urin über den Bauch.
Die Blutung hatte noch nicht begonnen, aber lange würde der Gefäßschock nicht halten.
Er robbte mit dem Hammer in der Hand auf Reise zu.
Sebastian weinte.
Die komplette Einbauküche und die Fliesen waren mit Blut verschmiert.
Sebastian zog sich an Reise hoch und schaute ihm tief in die Augen, er konnte noch Leben in ihnen erkennen, eigentlich wollte er wieder brüllen aber er schaffte es nicht, so flüsterte er:
"Du hast dir den Falschen ausgesucht.", er hustete, ihm lief Speichel aus dem Mund. "Du hast dir das falsche Mädchen und den falschen schwanzlosen Verlierer ausgesucht, Reise."
Sebastian war kraftlos, die Blutung hatte begonnen, so brauchte er mehrere Schläge um Reise den Schädel einzuschlagen.
Das Schlafzimmer, Sandra, war sein Ziel.
Sebastian war zu schwach um aufzustehen, also robbte er langsam in den Flur.
Im Wohnzimmer verblutete er.
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AntwortenLöschenGood work alter
-Clint