wie zwei verlierer die welt retteten.

Patientenblog (49) Street - Mixtape I - Beruf und Doku

So liebe Freunde, nun steppt mal bitte aside und macht Platz für das Riesenskrotum das dem Patientenblog mittlerweile gewachsen ist. Es waren harte Wochen, viele neue Kollegen mussten eingearbeitet, grippale Infekte verdaut und Eindrücke gesammelt werden.








Und welches Thema geht es überhaupt? Das ist schwer zu sagen, ich habe diesen Beitrag live geschrieben. Ich habe mich frei treiben lassen und bin am Ende bei der Dokumentation gelandet. Ja, wenn man mal in eine Sackgasse gerät, dann muss man los lassen und schauen wohin einen der Gedankenstrom führt.


Ja!

Ja was?

Ja, dann hat man irgendwann seine drei Jahre rum, ist examiniert, sucht sich sein Klinikum oder schmeißt seine berufliche Laufbahn in den Mülleimer namens "Ambulante Pflege". Es tut mir leid liebe Kollegen in den Autos, aber hiermit ist die ambulante Pflege hart gedisst und nun offiziell whack. Vielleicht gehen wir direkt am Anfang mal kurz darauf ein. In der ambulanten Pflege kann man alles wegstreichen, was man als Pflegekraft im Krankenhaus sonst zwangsläufig (irgendwann) im Schlaf beherscht. Notfallsituationen, Reanimationen, prä- und postoperative Pflege, sowie in Bezug auf invasive Diagnostiken, Handling von ungeduldigen Menschen und weiter und weiter und weiter. Das verkümmert einem in der ambulanten Pflege, da geht es um Waschen, Blutzucker messen, Medikamente für die kommenden Tage richten, sich ärgern, dass man nicht in seinem Auto scheißen gehen kann.... und so weiter und so weiter...

Tut mir leid, ich hab zuviele neue Kollegen gesehen die direkt aus der ambulanten Pflege kamen und dort innerhalb weniger Monate wirklich alles verlernte. Ich persönlich gehe lieber Strassen fegen, als in die ambulante Pflege. Wer wenig Geld verdienen will, das aber auf die anstrengendste und undankbarste Art und Weise die es im gesamtem Universum gibt, bitte beim Roten Kreuz oder sonstigen Anbietern bewerben, ihr werdet genommen, ganz bestimmt.

Weiter geht es also, Examen gemacht (Note ist nur für Dekorationszwecke, dafür interessiert sich absolut fucking Niemand), dann zwei Jahre als Neuling vergewaltigen und ausbeuten lassen, bis man gelernt hat sich zu wehren und Grenzen zu setzen. Neunzig Prozent der jungen Krankenschwestern bleiben vielleicht fünf bis zehn Jahre im Beruf um dann schwanger zu werden, das war es dann. Ist ja auch okay, ich persönlich gehöre zu den Männern, die sich sofort melden, wenn Erziehungsurlaub zur Frage steht. Doch als Krankenpfleger wird es knifflig, überraschenderweise wollen ja doch viele Menschen noch Familien gründen, dass man sich ein Haus baut... ist ja nun nicht mehr ganz so der typisch deutsche Weg, mittlerweile werden Schwänze für Festverträge massiert.

Nun, ich habe einen Festvertrag, aber es reichen keine vier Blogs um die Odysee und die verfickte Ansammlung von Blut, Tränen und Schmerzen zu beschreiben, die mich dort hin führten. Deutschland im Jahr 2011. -Man freut sich über einen Festvertrag-
Man freut sich über einen Festvertrag in einem Berufszweig der seit Jahren verzweifelt nach frischen jungen Arbeitskräften schreit.... aber meine Freunde, wir bleiben gelassen, haben wir doch den steinimkopf der für uns alle Gerechtigkeit einfordert.
Irgendwann wird der junge männliche Pfleger merken, dass er als Junggeselle vielleicht mit dem üblichen Gehalt überlebt, aber große Sprünge oder große Familie ist damit nicht zu bringen.

Klar, wenn man Abitur hat, geht man Studieren, aber ein Pflegestudium würde ich nur den schlau bis grenzgenialen Leuten unter euch empfehlen und uns, der dumpfen Masse, wäre so ein Studium wahrscheinlich erst in zehn Jahren ans Herz zu legen, die Studiengänge sind 1.) noch nicht so recht anerkannt, also anerkannt auf "tolles Studium hast du da gemacht" bezogen und 2.) die freien Stellen sind einfach noch nicht da, weil sich eine Art intellektuelle Pflege noch nicht wirklich etabliert hat. Ich sehe diese Entwicklung aber recht entspannt, ich habe jetzt drei verschiedene Krankenhäuser und daran angeschlossene Krankenpflegeschulen näher kennen gelernt und eigentlich waren dort meistens junge und durchsetzungsstark wirkende Lehrer beschäftigt, und natürlich auch die älteren Herrschaften waren sehr aktiv und selbstbewusst.
We Shall Overcome, meine tapferen Schwestern!



Genug Gayshit jetzt, Murphy guckt schon komisch!
Also was machen nach bestandenem Examen um mehr Geld zu verdienen? Gründe sind ja eigentlich egal, ob du jetzt eine Familie gründen oder nur zwei Kilo Kokain monatlich kaufen willst, ist nebensächlich, von Nöten ist aber ein gewisser Hunger und minderwertigkeitsbetriebener Ehrgeiz. Man kann den Weg der Hierachie gehen, aber ohne Studium ist da ziemlich bald eine fiese Sackgasse, also was denn jetzt!?!

Es dreht sich nur um Spezialisierung, Baby. Das ist der Schlüssel. Einfach zusammengefasst, such dir einen Bereich der täglichen Arbeit aus, der dich vielleicht nicht komplett zu Tode langweilt, und dann lernst du, übst du, solange bis du der unantastbar beste Pfleger deiner Station, am besten sogar, deines ganzen Klinikums, in diesem Gebiet bist. Dieses ominöse Gebiet sollte weise gewählt werden, Blasenkatheter legen ist sicherlich eine recht nützliche Eigenschaft im Krankenhaus, aber eine Karriere kannst du darauf nicht aufbauen, zumindest nicht im Krankenhaus. Es sollte etwas Großes sein, Fachgebiete wie "Hygiene", "Medikamenten- und Materialbestellung sowie BTM Beauftragter" sind sehr zu empfehlen.

Ich habe mich für den Bereich der Dokumentation entschieden, eigentlich logisch. Schreiben bringt mir Spaß, und die Pflegedokumentation lehrt mich immer noch kürzer und straffer zu texten, aber kein Gesabbel, natürlich würde ich lieber durch nette Kurzgeschichten befördert werden, häufig genug artet diese Beauftragtenposition in Nerverei und Konflikten aus.
Jetzt wird es langsam kompliziert, aber ich versuche es mal für Berufsfremde verständlich auszudrücken. Bei uns im Klinikum verhält es sich mit den Unterlagen so:

Aufnahmeblatt
Eine aufgeschlagene Kurve
Die sogenannte pflegerische Anamnese; Telefonnummern, Hausarzt, Aufnahmegrund, Allgemeinzustand, Qualität der geistigen Orientierung, Schlafverhalten, Alkoholkonsum? Du kleiner Racker sag schon! Wieviele Kippen am Tag? Wichtigste (hauptsächlich chronische) Grunderkrankungen, Allergien, Wertgegenstände am Mann? So ziemlich alles was man braucht, um Formulare wie Aufklärungen, Pathologieprotokolle und so weiter auszufüllen, findet man in der Anamnese.





Fieberkurve
Ein riesiges Faltblatt für harte Fakten (Der Zettel der, warum auch immer, in einigen Filmen direkt vorne am Patientenbett hängt.)
Vitalzeichen, da wäre der Puls (15 Sekunden den Pulsschlag zählen, dann mit vier multiplizieren...Sonntag...Morgens... 06:11...geil), die Temperatur und Mr. Nervig aka der Blutdruck als Letzter im Bunde. Dann die Master - Seite mit, unter anderem, Informationen wie: Was hat der Patient an seinem Körper von uns für Gegenstände reingesteckt bekommen? Was kommen aus dem Patienten so für Dinge heraus? In was für Abständen? Und wieviel davon eigentlich genau? Was geben wir dem Patienten wann? Wie oft? Und wieviel?
Die Fieberkurve
Welche Untersuchen wurden, werden in diesem Moment und welche Untersuchungen werden in den nächsten Tagen durchgeführt? Wann genau Stuhl-, Urin und Sputumprobe/kultur?
Was für Medikamente bekam und bekommt der Patient? In welcher Form und was genau darf dem Patienten von der Pflege oder Reinigungsfachkraft auf eigene Initiative verabreicht werden? Glückwunsch meine Freunde, ihr wisst nun was Bedarfsmedikation ist.
Es steht noch viel mehr in diesem Faltblatt, aber um euch zu erklären, was das bedeutet, müsste ich euch erklären wieso es das bedeutet, und was wiederum das bedeutet... bedeuten....könnte!
Wird der Actionmodus dieser Fieberkurve aktiviert, so ist es möglich sie mit verschiedensten Combos umzudrehen, von dort gelangt man entweder in den Physiotherapiemodus oder in die GutenMorgenVisite - Perspektive.





Pflegeplanung
Pflegebericht oben,
Pflegeplanung unten
Hier werden alle täglichen "Arbeitsvorgänge" am, mit und für den Patienten, mit einem Namenskürzel, abgehakt. Extrem wichtig, mit dem Kürzel wird sozusagen der Scheck eingelöst.

Pflegebericht
Hier werden die abgekürzelten Arbeitsvorgänge beschrieben und damit auch bewiesen. Außerdem kommt hier alles rein, was einem am Patienten auffällt. Unfassbar wichtig, wird unfassbar konsequent vernachlässigt.

Arztseite
Die Anordnungen der Doktoren und Ärzte. Schreibt ein Mediziner seine Anordnung in diese Seite, so zieht er einen kleinen roten "Reiter" an der Kurve nach unten. Wie bei einem US amerikanischen Briefkasten, sieht man den roten Stift, so ist Post drin.

Ein gezogener
Anordnungs"-reiter"
Nun aber schnell
an die Arbeit!
















Hier machen wir einen Schnitt und freuen uns auf den nächsten Patientenblog, in dem wir uns damit befassen, wie alles vor die Hunde geht, wenn man sich nicht um die Dokumentation kümmert.
Ihr geht bitte mit besserem Beispiel, als euer Lieblingskrankenpfleger, voran und tragt gefälligst Liebe und Toleranz in die Welt, irgendeiner muss diesen scheiß Job ja machen!


3 Kommentare:

  1. Narcanti saves ....wen eigentlich?13. Februar 2011 um 23:27

    Tag auch!

    lang ists her, aber die zeit, das internet und v.a das verdammte leben machen halt was sie so wollen...

    nette einführung in den ganzen quatsch, aber der "actionmodus" der kurvenblätter ist schon hart witzig....denke da an übelst fehlkonstruierte transformer....anstatt welten retten atemtherapieprotokolle..
    wie dem auch sei, wollt nur mal kurz aus dem off back on stage steppen, in zukunft wieder mehr von mir, hoffentlich auch von dir und dem pb, jetzt ab ins bett, gogo frühdienst!

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  2. Na endlich, ich bin höchst erfreut dich hier wieder zu sehen. Super! Keine Sorge der Patientenblog steht vor einer Explosion.

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  3. narcanti saves....the dealer15. Februar 2011 um 22:15

    ahjo, da war ja was mit urethraperforation oder so....bin gespannt
    muss erstmal bissl nachholen hier wenns die zeit zulässt, hab geschätzte 250 blogeinträge verpasst...

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