
Super Typ. Zum allerersten Mal mein perfekter Auszubildender.
Aber fangen wir von vorne an.
Matthias ist 20 Jahre alt. Schonmal ein gutes Alter für das zweite Lehrjahr.
Matthias besitzt ein gutes Fundament, denn er ist im evangelischen irgendwasAusbildungsverein.
Wir sind ein, ich sage mal, halbes evangelisches Krankenhaus. Find ich gut, ab und zu kommen Nonnen vorbei, die Patienten freuen sich, werden betreut, es wird für Bücher gesorgt, das ist einer der wenigen Punkte in denen ich den protestantischen(!) Glauben gut finde. Aber es zieht einige Eigenschaften mit sich, wenn man über die Kirche in die Ausbildung eintritt.
Man kann sich fast sicher sein, dass solche Auszubildenden ein gewisses Maß an Höflichkeit beherschen. Das bedeutet nicht dass sie es anwenden, aber meistens sind diese Jungs und Mädels einfach verdammt nett.
Matthias ist der personifizierte Knigge.
Ich mag das. Ich finde Manieren männlich. Ein echter Kerl muss wissen wie man sich auf Hochzeiten verhält, wie man eine kleine Ansprache hält oder wie man eine Frau behandelt. Ich rede nicht von blind angewandten Floskeln, sondern von zielgerichteten charmanten Einlagen um sich die Leute zu eigen zu machen. Angewandte Sympathielehre, biatch.
Gerade im Patientenkontakt rockt das.
Wenn ich einen Patienten "bestrafen" muss, weil er unhöflich war, muss ich nur ein wenig meine Manieren schleifen lassen. Da ich eh auf einem hohen Höflichkeitsniveau bin, brauch ich gar nicht zickig oder ausfallend zu sein.
Damit der Patient sich seines Fehlverhaltens bewusst ist, frag ich dann halt mal nicht ob er "noch etwas braucht", "gut liegt" oder es gibt einfach keinen Smalltalk und Blickkontakt. Das sitzt in fast 90 Prozent der Fällen. Vorrausgesetzt ist leider ein funktionierendes Gehirn und das ist im Krankenhaus nicht häufig vorzufinden. (Es sei angemerkt, dass das [nicht funktionierende Gehirn] keine negative Wertung ist, es ist die objektive Wahrheit.)
So mach ich mir die Arbeit etwas leichter, ich brauche keine negativen Energien auf meiner Arbeit, die hab ich im Privatleben genug, dementsprechend muss man Leute an die Wand lächeln.
Matthias kann das. Er hat es nicht voll austrainiert, aber er hat den natürlich veranlagten Charakter um höflich zu sein.
Da haben wir schonmal ein gutes Fundament.
Zweiter Punkt, Matthias ist kräftig. Nicht sehr groß gewachsen, aber dafür mit Masse auf den Knochen und ruhiger Körpersprache.
Sowas mag ich auch. Menschen mit ruhiger Körpersprache, also Leute die eine Stunde lang in der gleichen Position sitzen können.
Matthias und ich lagern in zehn Minuten fünf Patienten und dass auch noch nach kinästhetischer Lehre, biatches.
Wie sehr ich auch jungen Frauen beim Lagern in den Ausschnitt gucke, aber mit Menschen zusammen zu arbeiten, die weniger als 55 Kilo wiegen, kann ziemlich anstrengend werden.
Matthias ist vergesslich und manchmal sehr verwirrt. Das erinnert mich an meine Ausbildung. Wenn Matthias kopfkratzend zum dritten Mal hintereinander den falschen Patienten in das falsche Zimmer schiebt und es immer noch nicht kapiert, dann macht mich das nicht wütend, sondern melancholisch. Ich hab sogar mal eine Frau in den falschen OP-Saal gebracht. Sowas trau ich Matthias jeder Zeit zu.
Selbst seine Fehler sind mir sympathisch.
Aber er hat auch schon Strategien und Werkzeuge im Kopf. Das ist wichtig. Ich bin ja noch nicht lange in dem Beruf, im Prinzip bin ich ein ziemlicher Anfänger, aber eines habe ich gelernt. Lass dich volltexten.
Wenn ich meine erste Runde in der Nachtschicht drehe, dann lass ich mich von den Leuten zulabern. Solange bis sie nicht mehr wissen, was sie noch raushauen können. Manchmal ist es ja sogar ganz interessant und als Belohnung für den Ohrfuck hat man dann die ganze Nacht Ruhe. Wenn man von Anfang durch die Zimmer hetzt, selbst wenn dazu Anlass besteht, ist das ein elementarer Fehler. Körpersprache, Stimme, Themenwahl im Gespräch wirken auf den Patienten.
- Sie übertragen sich-
Sie übertragen sich eins zu eins, deswegen volltexten lassen, alle Details durchgehen, zweimal fragen welches Licht aus- und angelassen werden soll. Und wenn Loki Schmidt gestorben ist, dann wird eben mit Frau Müller getrauert.
Genau so arbeitet Matthias. Er ist sogar Experte. Heute habe ich beobachtet wie er einer älteren Dame zugehört hat und dabei ihre Hand ergriff. Super! Ha! Einfach mal die Hand von einer Omi ergreifen und lieb in die Augen schauen, so erreicht man Patienten.
Ich schreib jetzt natürlich in einem recht spöttischen Tonfall, aber so meine ich das gar nicht. Es ist ja nicht gelogen oder geschauspielert wenn ich die Hand einer älteren Frau ergreife, aber Körperkontakt muss einfach manchmal sein. Ich denke nicht,
"Na gut, dann nehm ich jetzt die Hand von der scheiß Oma, vielleicht hält sie dann die Schnauze.", es ist nur sehr schwierig jemanden mit Worten zu trösten oder einfach nur Ratschläge zu verteilen. Da hilft einmal Hand halten viel besser.
Dazu kommt noch, dass eine freundliche Begrüßung mit Hand etwas länger halten bei vielen älteren Damen sehr gut ankommt.
Schon wieder ein Punkt für Matthias.
Schlußendlich akzeptiert, beziehungsweise, toleriert Matthias meine vulgäre Sprache. Ich spreche wie ein deutscher Hochadliger aus dem 18. Jahrhundert im Patientenkontakt, aber sobald sich nur Mitarbeiter in meinem Blickfeld befinden, fluche ich wie eine besoffene Nutte. Das erträgt nicht jeder Auszubildende. Außerdem bin ich ein furchtbarer Mensch im Umgang mit psychotischen Patienten. Ich kann mein Lachen manchmal einfach nicht unterdrücken, ich weiß, ich komme in die Hölle, ich bin ein schlimmer Mensch. Aber Matthias versteht mich.
Es wäre schön wenn es Matthias wirklich geben würde.
Oh nein, musste der letzte Satz sein? Ich dachte bis zum letzten Augenblick tatsaechlich, es gaebe noch Hoffnung...
AntwortenLöschenhah
AntwortenLöschenwenn ich das so lese würd ich gern ma n paar tage auf deiner station verbringen...ich glaub das wär ne mordsgaudi...hätten bestimmt ne menge spass zusammen...ah, damnit, morgen wieder schule...unglaublich ätzend da, aber naja, noch 3 wochen...und fucking weihnachtsgeld is da....hell yeah!
Wow, habe mich beim Lesen die ganze Zeit über deine Sprache gewundert, die diesmal überaus sanft und kultiviert ist. Geradezu charmant. Wie ein deutscher Hochadliger aus dem 18. Jahrhundert.
AntwortenLöschenUnd obwohl mich eigentlich schon der besoffene Nuttenvergleich lachend aus der Kultiviertheit herausgerissen hatte, traf mich der letzte Satz trotzdem unerwartet hart "in die Fresse".
Respekt, sehr stilvoll!
Naja, wenn ich will kann ich mein Niveau schon heben, nur hab ich da nie Lust zu. Danke!
AntwortenLöschenTja Narcanti, erstmal könnte ich dir ja dein Examen abnehmen! Harhar!
jo, is klar...ich drück dem opa n fuffi und ne kukident extra inne hand dafür dasser am nächsten morgen einfach sagt er hat keine lust auf waschen...will nur n glas wasser und frische bettwäsche...examen owned!
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