wie zwei verlierer die welt retteten.

Patientenblog (13) Der Atheist im Grab

Eins, zwei, WEG. EINS, ZWEI, WEG! Puls? Blutdruck? Atmung? Ambu-Beutel pumpen!!
Adrenalin! EINS, ZWEI! WEG!! Zucken, Aufbäumen. Eine Rippe bricht mit einem lauten Knacken. Rosa Schaum vor dem Mund. Weitermachen, ZWEI! WEG!
Dann die Handschuhe ausziehen, die verschwitzten Hände desinfizieren. Wo ist die Akte? Ist der Kaffee noch heiß?





Der Sarg. Die Erde prasselt von der Schaufel auf den Deckel. Das Geräusch gnadenlos und die Luft wird dünn. Nicht dass man sie zum Atmen bräuchte, aber man kann es schmecken. Einsamkeit. Dunkelheit und sonst nichts.
Die Zeit verfliegt. Die Zeit schleicht. Das Fleisch wird faul. Der Geruch süßlich.
Geräusche erfüllen das Grab. Die Natur nimmt sich ihren Teil wieder. Warten.
Warten. Und Warten. Gibt es ein Ende? Kommt da jetzt noch was? Oder ist das die Unendlichkeit? Ist es das Fegefeuer? Vielleicht sogar die Hölle?

Dann nichts mehr. Und plötzlich ist da Alles. Das Universum. Die Sterne, Lichter, Farbennebel, Explosionen, Implosionen, Leben, Zerstörung und Tod. Man treibt seelenruhig durch das All. Von irgendwoher ein Chorgesang. Lateinische Texte - nie davon gehört. Eine Lücke? Ein Ausgang? Verschlossen. Warten. Geniessen - treiben lassen.

Und endlich,
eine bunte Explosion und ihre Anziehungskraft.
Wieder Dunkelheit. Wieder Angst. Man wird zusammengepresst, dann wieder nicht. Dann wieder doch und irgendwann ist da die Welt. Die Wüste, ein Zelt, eine schreiende Frau. Ein alter Mann mit Bart und Turban. Mandelbraune Augen. Ein prüfender Blick.
Ein seufzendes Kopfschütteln. Die Frau schreit. Und mit aller Kraft schleudert einen der Mann gegen die Zeltstange. Die Beine waren verkümmert, kein Überleben, sinnlose Ressourcenverschwendung. Die Zeltstange erledigt den Säugling.

Und dann ist da endlich wieder die Unendlichkeit. Der Gesang und das Universum und gnädige Erlösung, danke Herrgott - unendlicher Ruhe. Alleine mit vielen Anderen. Antworten auf Fragen die man in tausend anderen Leben vor dem Einschlafen gestellt hat. Und immer wieder die öffnenden und schliessenden Ausgänge.

Auf einmal sind da wieder die Schmerzen, der Lärm, das Piepen, das Pfeifen, ein Gesicht. Fragen über irgendwelche Menschen, wo man ist, wer man ist, wie die Enkel heißen. Die Augen werden geöffnet, man ist gefangen in diesem schrecklich alten Körper, überall Schläuche, PANIKPANIKPANIK, die Augen aufgerissen, das Atmen doch so schwer, in der Blase ein Katheter, in der Nase eine Sauerstoffleitung und um einen herum, hektische Menschen und halbtote Patienten. Das Krankenhaus, die Intensivstation, alles tut weh, alles Schmerz, überall Nähte und Klammern und du fragst dich wieso ich mich nicht freue überlebt zu haben?

2 Kommentare:

  1. ...Das Krankenhaus, die Intensivstation, alles tut weh, alles Schmerz, überall Nähte und Klammern
    und du fragst dich wieso ich mich nicht freue zu leben?...

    Meine Frau hatte mit 20 Jahren einen schweren Motorradunfall, bei dem sie zwei mal einen Herzstillstand hatte und zurückgeholt wurde.
    Als sie mir das geschildert hat waren dies genau ihre Worte!

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  2. Ja, man. Das höre ich immer wieder. Aber ist doch schön, oder? Tut gut zu wissen, dass es vielleicht doch etwas Schöne nach dem jetzigen Leben kommt. Oder dass das Sterben zumindest nicht so schrecklich ist wie man es sich vorstellt.

    Lieben Gruß, danke fürs Feedback!

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