
Ich bin gekommen um euch von echter Arbeit zu berichten.
Frühschicht.
Hier ist kein Platz für faule Idioten. Wir befinden uns hier nicht im Büro. Wo man am PC und in Tabellen seine Fehler noch verstecken und vertüdeln kann,
so geht es in der Frühschicht um Ergebnisse. Und die sind nicht auf Papier. Nein, die kann man sehen. Ist der Patient voller Stuhlgang? Hängt die Infusion schon?
Ist der Patient immer noch nicht im OP? WAS IST MIT DEN SCHEISS AUFNAHMEN!?!
Wenn man in der Frühschicht Fehler macht, dann bringt man auch mal ganz gerne jemanden um. Kein Witz, hab ich schonmal mitbekommen, falsches Medikament zur richtigen Allergie und schon ist es vorbei.
Aber hey, wir beruhigen uns wieder, denn im ersten Teil möchte ich von der angenehmen Frühschicht berichten. Wir haben genug Personal, nicht zuviele immobile Patienten und nicht drei Milliarden Aufnahmen.)
Los gehts.
Es ist ungefähr 5:45, wir betreten umgezogen und vollkommen motiviert die Station. Die Nachtwache hat schon Kaffee gekocht und wenn nicht, dann schauen wir sie böse schweigend an.
Hat sie niemanden gewaschen, lästern wir sofort über sie, sobald sie die Station verlassen hat. Aber meistens sind eben genannte Punkte erledigt.
Also hinsetzen und zuhören was die Nachtschwester so erlebt hat. Okay alles klar, wir müssen noch drei Patienten waschen.
Wir haben
4 Examinierte Kräfte (Wahrscheinlich lachen jetzt einige Pflegekräfte, aber hey, ich arbeite in einem tollen Krankenhaus, sorry)
2 Auszubildende (HÖRT AUF ZU LACHEN!)
1 Servicekraft die um 7:30 zur Arbeit kommt.
Wir müssen um 6:30 anfangen zu arbeiten, denn eine Stunde später kommt schon das Frühstück und dann geht auch schon die Visite los. Also ist Gas geben angesagt.
Die Auszubildenden werden zum Waschen verdonnert, wer sich freiwillig meldet wird positiv im Hinterkopf vermerkt. Ehrlich, wenn sich ein Azubi freiwillig zum Waschen meldet, dann hat er einen gut bei mir.
Wir rocken also durch die Zimmer, bei jedem Patienten wird das Bett gemacht, Puls, Temperatur, Blutdruck gemessen und bei Bedarf das Bett frisch bezogen. Die meisten müssen ans Waschbecken geschoben werden, damit sie sich waschen können. Faule Patienten werden angeschrien und dazu gezwungen wieder ein Mensch zu werden. Am besten geht das mit
"Sie wollen doch auch mal wieder nach Hause, oder? harharhar ODER!?!"
Wir nehmen die Kurven mit, damit wir die Vitalzeichen gleich eintragen können.
So irgendwann sind wir dann damit durch und laufen ins Stationszimmer, da haben sich schon die ersten 300 Ärzte versammelt und stehen verwirrt vor dem Belegungsplan, damit sie planen können welche Neuaufnahme wohinkommen kann. Da die Ärzte keine Ahnung haben und noch müde sind stellen sie furchtbar dumme Fragen, so dumm, dass einige Kollegen und ich glauben, dass es einen Pott gibt, in dem sie jede Woche Geld reinschmeißen und wer die dümmste Frage stellt hat gewonnen.
Beispiel?
Beispiel!
"Ähm. Können wir Herrn Müller in ein anderes Zimmer schieben."
"Der geht heute nach hause."
"Ja egal."
"Wieso egal?"
"Ja wir brauchen das Bett für die Neuaufnahme."
"Herr Müller geht eh heute nach Hause."
"Wieso das denn jetzt?"
"DU BIST DOCH DER ARZT MAN!"
Irgendwann zieht die mutigste und erfahrenste Pflegekraft mit den Ärzten in die Visite.
Die anderen hauen das Essen raus. Zwei Auszubildende plus Servicekraft. Die anderen bringen Patienten in den OP, die Pflegewagen (mit denen geht man morgens durch die Zimmer) müssen desinfiziert und aufgefüllt werden, das macht normalerweise noch irgendein Auszubildender.
Eine Pflegekraft verteilt Medikamente. Wir machen das nicht mit dem Frühstück sondern extra, ganz einfach weil Patienten häufig noch Fragen haben, meistens muss man sie aber nur an den Zeitpunkt erinnern, an dem sie diese Frage schonmal gestellt haben.
Essen verteilen ist nervig. Bei dem einen Patienten fehlt Butter, der Andere will ein Frühstücksei und Frau Müller im letzten Zimmer, am Ende des Flurs, will dann doch noch warme Milch, also muss man den ganzen Weg wieder zurücklaufen. Wenn die Patienten ihr Frühstück beendet haben, räumen wir ab, ein Pfleger geht hinterher und hängt Infusionen an.
Wenn wir mit den ganzen Arbeiten fertig sind, setzen wir uns selber hin um zu frühstücken. Es gibt viele Tage an denen es meistens nur für eine Zigarette und ein halbes Brötchen dabei reicht, aber dazu mehr im zweiten Teil. Die arme Pflegekraft die immer noch in der Visite zu tun hat, muss leider später alleine frühstücken.
Was ihr nicht vergessen dürft, das Telefon klingelt alle zehn Minuten, und mit "alle zehn Minuten" meine ich alle fünf Minuten. Irgendwas will irgendwer immer. Da fehlt die Anmeldung, da fehlt ne Unterschrift, was ist eigentlich wo und wie los!?!
Die Patienten klingeln im 15 Minuten Takt, schon von daher ist es unmöglich eine durchgängige Frühstückspause zu haben. Wenigstens auf dem Raucherbalkon ist man eingermaßen sicher, ja ich weiß, unfair gegenüber den anderen Kollegen. Aber für jedes Mal Rauchen haben sie einen gut, bedeutet, ich geh einmal Scheiße wegmachen, irgendwas putzen oder eine vollgebrochene Oma waschen.
Ich finde das ist einigermaßen fair, zumal viele andere Kollegen auch rauchen gehen.
Wir haben jetzt 9:30 und jetzt kommen die ersten Neuaufnahmen. Damit könnte man ganze Bücher vollschreiben.
Privatpatienten schreien rum, weil sie kein Einzelzimmer kriegen. Irgendwelche verstrahlten Opas haben ihre kompletten Unterlagen und Medikamenten vergessen.
Patienten die als selbstständig angekündigt wurden, kommen von Hals abwärts gelähmt auf Station und kacken zur Begrüßung vor das Stationszimmer.
Eine Auszubildende wird zum Visitenpfleger geschickt, die erledigt seinen Kleinkram. Die Andere geht mit einer Pflegekraft durch die Zimmer und cremt die Patienten ein, erneuert Beutel, macht dies, macht das, alles was man so zu tun hat bei alten Menschen.
Alle übriggebleibenen Kräfte stürzen sich auf die Neuaufnahmen und versuchen gegen die anfänglich sinnlosen und überflüssigen Anordnungen, des aufnehmenden Arztes, anzuarbeiten. Es sind meistens die etwas schwächeren Ärzte die aufnehmen, die anderen haben halt was drauf und stehen im OP um zu operieren.
Häufig kommt dann noch eine Notaufnahme dazwischen die den kompletten Belegungsplan wieder durcheinander bringt. Wir haben mittlerweile 11:30 und der Belegungsplan ist sowieso komplett durcheinander, auf dem Flur sitzen mindestens zwei Patienten die einen permanent böse/fragend anschauen. Jedes Mal wenn man ihnen vorbeigeht, denken sie dass man ihnen jetzt das Zimmer zeigt.
Wir brüllen jetzt die Auszubildenden an und befehlen ihnen jetzt endlich mal das Essen zu verteilen und nicht sinnlos in der Küche rumzuhocken.
So langsam kommt wieder Ruhe in die Sache. Der Visitenpfleger bekommt eine Beruhigungstablette bevor er sich, dank der Anordnungen, aus dem Fenster stürzt. Wir schieben die letzten Patienten in ihre Zimmer und lassen uns dabei beschimpfen. Dank der Notfälle in dem OP kommen die wartenden Patienten mit zweistündiger Verspätung zu ihrer Operation. Natürlich passiert das alles gleichzeitig, dementsprechend muss man sich beeilen.
Wir schreien noch ein letztes Mal die Auszubildenden an, dass sie endlich das Essen abräumen sollen und gehen noch schnell eine rauchen.
Der Visitenpfleger geht in die Küche und wartet auf die Spätschicht, damit er eine Übergabe machen kann.
Um 13:30 gehen wir (20 Minuten früher) nach Hause.
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