
Ein Krankenhaus für Patienten die keine Chance mehr auf Heilung haben.
Was macht man im Hospiz mit Patienten?
Man behandelt sie palliativ, bedeutet, die Lebensqualität wird soweit wie möglich oben gehalten.
Tumore die Schmerzen verursachen werden eingedämmt. Man darf seine Kippen rauchen und es wird alles dafür getan, dass die Patienten ohne Schmerzen sterben.
Ich bin hin- und hergerissen. Ein Hospiz ist eine gute Sache, auf jeden Fall. Ich selbst habe dort sechs Wochen gearbeitet, aber von den Patienten die ich dort sterben sah, hatten eigentlich alle Schmerzen und waren verzweifelt. Ich glaube an keinen gnädigen Tod
und ich glaube nicht an "Er ist friedlich eingeschlafen" oder "Er ist im Schlaf gestorben." Nein, man wacht in der Nacht auf, greift sich an die Brust und möchte schreien vor Schmerz, bis einen (mit Glück) dann der sofortige Tod erwischt.
Meine Meinung, es gibt wohl auch angenehme Todesarten wie zum Beispiel einen absoluten Hirnschlag oder sowas in der Richtung, aber im Krankenhaus und Hospiz sind man eigentlich nur dreckiges Verrecken oder morphinindiziertes somnolentes Dahinsiechen.
Ich nenne mal ganz öffentlich den Namen des Hospiz' in dem ich gearbeitet habe, weil es eine hervorragende und großartige Klinik ist. Es handelt sich um die Hancken Klinik. Besetzt mit mehreren Ambulanzen die auf Krebsvorsorge und Radiologie spezialisiert sind.
Unter anderem eine Station die Chemotherapien durchführt mit Aussicht auf Heilung und einer Palliativstation.
Für die Mitarbeiter, beziehungsweise für mich, war das sehr schwer, da man über beide Stationen rotiert und somit am Dienstag zwei tote Patienten pro Schicht runterschieben darf und am Mittwoch einer jungen Frau die Chemotherapie anlegt, das war mir ein zu heftiger Kontrast.
Natürlich habe ich dort "interessante" Erfahrungen gemacht, es war unfassbar mitanzusehen wie einige Menschen mit dem Tod umgehen. Da wäre zum einen eine recht junge Frau, vielleicht um die vierzig Jahre alt, die direkt an meinem ersten Tag eine unglaubliche Show an den Tag legte. Ich nenne sie mal Frau Kiesel. Ich hab das schonmal erwähnt und auch in unzähligen Texten beschrieben, die Frau hat bis an die Zimmerdecke gebrochen. Hirnmetastasen.
Frau Kiesel litt unter fürchterlichsten Schmerzen, da die Karzinome dem Gehirn jeglichen Raum nahmen und an die Schädelinnenwände drückten. Manchmal war sie ansprechbar und orientiert, aber hauptsächlich vollkommen neben der Spur und in ganz anderen Sphären unterwegs. Das Schlimmste war für mich, dass ihr Mann ihre gemeinsame Tochter zu einem Kinderpsychiater schickte. Die Tochter war vielleicht fünf Jahre alt und der Psychiater hatte nichts anderes zu tun als ihr den Umgang mit ihrer Mutter zu verbieten. Ich bin da nie so recht hintergestiegen und wollte es auch gar nicht, ging und geht mich nichts an, wer weiß was für komische Aufträge ich in solchen Situationen bekomme?
Ich hab die Frau zwei Wochen lang, jeden Morgen gewaschen und dabei eine gebrannte CD von ihrem Mann aufgelegt. Die Musik war gar nicht mal so schlecht. Und Frau Kiesel hat positiv drauf reagiert.
Dann waren da auch die wirklich schlimmen Fälle, eine Frau mit Leberkarzinom, keine 30 Jahre alt, die so sehr gegen den Tod angekämpft hat, dass sie vom Ikterus (gelbfarbene Haut) zur grünlichen Hautfärbung übergetreten ist.
Manchmal haben wir Patienten aufgenommen, die noch vollkommen gesund und vital wirkten, und plötzlich waren sie nach drei Tagen tot. Stellenweise werden in einer acht Stunden Schichte zwei bis drei tote Patienten in den Keller geschoben und gerade bei den überraschenden Todesfällen ist es einer sehr unangenehme Sache.
Durch die Zeit in der Hancken Klinik habe ich das Schreiben stark fokussiert. Wenn ich meine alten Sachen durchlese, finde ich noch häufig Abschriften von Sterbefällen oder Momenten die sich mir ins Gehirn einbrannten. Vielleicht habt ihr den Text mal gelesen, eine ältere Frau hat mich auf dem Sterbebett gefragt wie "Sterben denn jetzt bitte geht?", was sie da "jetzt zu tun hätte?".
Bum. Was will man da als 18 jähriger Hans schon sagen?
Es gibt sicherlich einige die schreiben, dass ihnen diese Einsätze oder Jobs Kraft und Hoffnung geben und es sie mit Glück erfüllt sterbenden Menschen zu helfen. Aber ich persönlich hab es fast nicht ertragen, egal was man tat, irgendwann sind sie doch in ihrer Scheiße, Kotze und Blut verreckt. Und mit verreckt meine ich wirklich verreckt. Aber irgendwie kann man sich dran gewöhnen, man härtet ab. Das einige abstumpfen glaube ich auch, aber das habe ich in meiner kurzen Zeit nicht erlebt, alle meine Kollegen waren sehr empathisch und gewissenhaft, selbst zynische Verarbeitungsmechanismen habe ich in der Klinik nicht vorgefunden. Ich will keine Werbung machen, aber das finde ich großartig.
"Zynische Verarbeitungsmechanismen" benutze ich selber am Meisten. Wenn man nicht lacht, dann muss man drüber weinen, ganz einfach. In der Gefäßchirurgie hat man auch einige Todesfälle, aber bei Weitem nicht soviel wie im Hospiz oder in der Viszeralchirurgie. Deswegen ist man wahrscheinlich nicht so an das Sterben gewöhnt und hat etwas unelegantere Verarbeitungsformen.
Ich würde mich ja gerne auch mal auf das Thema Sterbehilfe stürzen, aber das ist mir zu riskant. So geht es wohl den meisten Ärzten und Pflegekräften. Ich möchte nur eine Geschichte erzählen, hab ich nicht selber erlebt, war aber eine chronische Anekdote bei uns in der Notaufnahme.
Polytrauma, junger Mann, total zerfetzt und zerbrochen, kommt in die Notaufnahme. Der Schädel offen und totaler Matsch.
Schwacher schneller Puls, Blutdruck nicht messbar, Pupillenreaktion, wenn man es glauben wollte, waren noch vorhanden.
Was macht man mit so einem Menschen in Deutschland? Man lässt ihn in einem der Aufnahmezimmer liegen und hält ihm die Hand bis er "stirbt".
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